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erschien nennen menschenähnlichen

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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 11.07.2013<br />

einziges Kleidungsstück, die Hüftschnur, ist für sie wirklich der ‚Schmachtriemen‘ unserer<br />

Volkssprache, mit dem sie sich den Leib zusammenschnüren, um die Qualen des nagenden<br />

Hungers zu mildern“ 1 . Bleiben die Wilden etwa auch in diesen (nach dem Eingeständnis von<br />

Bücher selbst) „häufigen“ Fällen sportsmen und jagen sie nur zum Vergnügen und nicht aus<br />

bitterer Notwendigkeit? Von Lichtenstein erfahren wir, daß die Buschmänner oft mehrere<br />

Tage lang ohne Nahrung sind. Solche Hungerperioden sind natürlich Perioden verstärkter<br />

Nahrungssuche. Bleibt vielleicht auch diese Suche ein Zeitvertreib? Die Indianer Nordamerikas<br />

tanzen ihren „Bisontanz“ gerade zu einer Zeit, wo sie schon lange keine Bisons mehr zu<br />

Gesicht bekommen haben und ihnen der Hungertod droht. 2 Der Tanz wird fortgesetzt, bis<br />

sich wieder Bisons zeigen, ihr Erscheinen wird von den Indianern dann in ursächlichen Zusammenhang<br />

mit dem Tanze gebracht. Indem wir die uns hier nicht beschäftigende Frage<br />

beiseite lassen, wie die Vorstellung dieses Zusammenhangs in ihrem Geiste entstehen konnte,<br />

können wir mit Sicherheit sagen, daß in ähnlichen Fällen weder der „Bisontanz“ noch die<br />

Jagd, die bei dem Erscheinen der Tiere beginnt, als Zeitvertreib betrachtet werden kann. Hier<br />

erweist sich der Tanz selbst als eine Tätigkeit, die ein utilitaristisches Ziel verfolgt und eng<br />

mit der Hauptlebenstätigkeit der Rothaut verbunden ist. 3<br />

[105] Weiter. Betrachten wir die Frau unseres angeblichen sportsman. Sie schleppt während<br />

der Wanderung schwere Lasten mit sich herum, gräbt Wurzeln aus, baut eine Hütte, schürt<br />

das Feuer, schabt Felle, flicht Körbe und bearbeitet schließlich das Feld. 4 Ist das etwa alles<br />

Spiel und keine Arbeit? Nach den Worten F. Prescotts arbeitet der Mann bei den Dakotaindianern<br />

im Sommer nicht länger als eine Stunde am Tag; das kann man, wenn Sie wollen,<br />

Zeitvertreib <strong>nennen</strong>. Aber bei demselben Stamm und in derselben Jahreszeit arbeitet die Frau<br />

ungefähr sechs Stunden am Tag; hier ist es schon schwieriger anzunehmen, daß wir es mit<br />

einem „Spiel“ zu tun haben. Und im Winter muß sowohl der Mann als auch die Frau weit<br />

mehr arbeiten als im Sommer: der Mann arbeitet dann etwa sechs Stunden, aber die Frau ungefähr<br />

zehn. 5<br />

Hier kann man einfach und entschieden nicht mehr von „Spiel“ reden. Hier haben wir es<br />

1 [Bücher,] „Vier Skizzen“, S. 77. [Zit. Werk, S. 12.]<br />

2 Catlin, op. cit., I, 127.<br />

3 Bücher will es scheinen, daß der Urmensch ohne Arbeit leben konnte. „Allein, der Mensch hat zweifellos<br />

unermeßliche Zeiträume hindurch existiert, ohne zu [105] arbeiten, und wenn man will, kann man Gegenden auf<br />

der Erde genug finden, wo die Sagopalme, der Pisang, der Brotfruchtbaum, die Kokos- und Dattelpalme noch<br />

jetzt ihm mit einem Minimum von Anstrengung zu leben gestatten.“ („Vier Skizzen“, S. 72/73. [Zit. Werk, S.<br />

8/9.]) Wenn Bücher unter unermeßlichen Zeitperioden jene Epoche versteht, als der „Mensch“ sich als besondere<br />

zoologische Art (oder Gattung) eben erst bildete, dann will ich sagen, daß unsere Vorfahren damals nicht<br />

mehr und nicht weniger „arbeiteten“ als die Menschenaffen, von denen wir kein Recht haben zu sagen, in ihrem<br />

Leben nehme das Spiel einen größeren Platz ein als die Tätigkeiten, die zur Erhaltung des Daseins notwendig<br />

sind. Und was einige besondere geographische Bedingungen betrifft, die dem Menschen die Existenz bei minimalstem<br />

Aufwand an Anstrengungen ermöglichen sollen, so darf man auch hier nichts übertreiben. Die üppige<br />

Natur der heißen Länder fordert vom Menschen nicht weniger Anstrengungen als die Natur der gemäßigten<br />

Zone. Ehrenreich glaubt sogar, daß die Summe dieser Anstrengungen in den heißen Ländern weit größer ist als<br />

in den gemäßigten („Über die Botocudos“; „Zeitschrift für Ethnologie“, Bd. XIX, S. 27).<br />

Selbstverständlich kann der fruchtbare Boden der heißen Länder, wenn mit dem Anbau von Nahrungspflanzen<br />

begonnen wird, die Arbeit des Menschen ganz bedeutend erleichtern, aber ein solcher Anbau beginnt erst auf<br />

verhältnismäßig hohen kulturellen Entwicklungsstufen.<br />

4 „The principal occupation of the women in this village consists in procuring wood and water, in cooking, dressing<br />

rohes and other skins, in drying meat and wild fruit and raising corn.“ [„Die Hauptbeschäftigung der Frauen<br />

in diesem Dorf besteht in der Beschaffung von Holz und Wasser, im Kochen, in der Zubereitung von Büffelund<br />

anderen Häuten, im Dörren von Fleisch und wilden Früchten sowie im Getreidebau.“] Catlin, op. cit., I,<br />

121.<br />

5 Siehe Schoolcraft in seinem „Historical etc. information“, part III, p. 235.<br />

45

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