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erschien nennen menschenähnlichen

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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 11.07.2013<br />

Deshalb ist im Leben der Gesellschaft die [103] Arbeit älter als das Spiel. 1 Das ist, wie es<br />

scheint, völlig klar. Ist das aber klar, dann müssen wir uns nur noch fragen, von welchem<br />

Standpunkt aus der Ökonom und überhaupt ein Mensch, der sich mit der Gesellschaftswissenschaft<br />

beschäftigt, die Frage nach der Beziehung der Arbeit zum Spiel zu betrachten hat.<br />

Ich denke, auch hier ist die Antwort klar: ein Mensch, der sich mit der Gesellschaftswissenschaft<br />

beschäftigt, kann diese Frage – genauso wie auch alle übrigen in dieser Wissenschaft<br />

auftauchenden Fragen – unmöglich anders als vom Gesichtspunkt der Gesellschaft aus betrachten.<br />

Deshalb unmöglich, weil wir, wenn wir uns auf den Standpunkt der Gesellschaft<br />

stellen, viel leichter die Ursache finden, warum die Spiele im Leben des Individuums früher<br />

als die Arbeit erscheinen; und gingen wir über den Gesichtspunkt des Individuums nicht hinaus,<br />

dann würden wir weder begreifen, warum das Spiel in seinem Leben vor der Arbeit besteht,<br />

noch auch, warum es sich gerade mit diesen und nicht mit irgendwelchen anderen Spielen<br />

unterhält.<br />

Das gilt auch für die Biologie, nur muß man dort an die Stelle des Begriffs „Gesellschaft“<br />

den Begriff „Gattung“ (richtiger: Art) setzen. Wenn das Spiel der Vorbereitung des jungen<br />

Einzelwesens auf die seiner künftig harrenden Lebensaufgabe dient, so ist klar, daß zuerst die<br />

Entwicklung der Art ihm eine bestimmte Aufgabe stellt, die eine bestimmte Tätigkeit erfordert,<br />

und daß dann, infolge des Bestehens dieser Aufgabe, die Auswahl der Individuen entsprechend<br />

den von ihr geforderten Eigenschaften und die Ausbildung dieser Eigenschaften in<br />

der Kindheit erscheint. Das Spiel ist auch hier nichts anderes als ein Kind der Arbeit, eine<br />

Funktion der utilitaristischen Tätigkeit.<br />

Zwischen dem Menschen und den niederen Tieren besteht der Unterschied in diesem Falle<br />

lediglich darin, daß die Entwicklung der vererbten Instinkte in seiner Erziehung eine viel geringere<br />

Rolle spielt als in der Erziehung des Tieres. Der junge Tiger wird als Raubtier geboren,<br />

aber der Mensch kommt nicht als Jäger oder Landmann, Krieger oder Händler zur Welt:<br />

er wird das eine oder das andere unter dem Einfluß der ihn umgebenden Bedingungen. Und<br />

das trifft auf beide Geschlechter zu. Das australische Mädchen bringt, wenn es zur Welt<br />

kommt, nicht den instinktiven Trieb zum Ausreißen von Wurzeln oder zur Ausführung anderer,<br />

ähnlicher wirtschaftlicher Arbeiten mit sich. Dieses Streben entsteht in ihm durch den<br />

Nachahmungstrieb: in seinen Spielen bemüht es sich, die Arbeiten der Mutter nachzuahmen.<br />

Warum ahmt es aber die Mutter nach und nicht den Vater? Weil in der Gesellschaft, zu der es<br />

gehört, bereits die Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau eingeführt worden ist. Diese [104]<br />

Ursache liegt auch nicht, wie Sie sehen, in den Instinkten der Einzelwesen, sondern in dem<br />

sie umgebenden gesellschaftlichen Milieu. Und je größer die Bedeutung des gesellschaftlichen<br />

Milieus, desto weniger darf man den Standpunkt der Gesellschaft verlassen und sich auf<br />

den Standpunkt des Individuums stellen, wie es Bücher in seinen Erwägungen, über die Beziehung<br />

des Spiels zur Arbeit tut.<br />

Groos sagt, die Theorie Spencers lasse die biologische Bedeutung des Spiels außer acht. Mit<br />

weit größerem Rechte kann man sagen, daß Groos die soziologische Bedeutung desselben<br />

nicht beachtet habe. Übrigens wird diese Nichtbeachtung im zweiten Teil seines Werkes<br />

möglicherweise wiedergutgemacht werden; er ist den Spielen der Menschen gewidmet. Die<br />

Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern gibt Veranlassung, die Erwägungen Büchers von<br />

einem neuen Standpunkt aus zu betrachten. Er stellt die Arbeit des erwachsenen Wilden als<br />

Unterhaltung dar. Das ist natürlich schon an und für sich falsch; für den Wilden ist die Jagd<br />

kein Sport, sondern eine ernste, zum Lebensunterhalt notwendige Beschäftigung.<br />

Bücher bemerkt selbst ganz richtig: Die Wilden leiden sehr häufig „bitteren Mangel, und ihr<br />

1 „... ihre Spiele, sie sind ein treues Vorspiel der Arbeit, die ihnen spätere Tage auferlegen werden.“ Klutschak,<br />

op. cit. [„Als Eskimo unter den Eskimos“,] S. 233.<br />

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