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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 11.07.2013<br />

lich, auf ihn zu schießen. 1 Die Nachahmung der Körperbewegungen des Tieres bildet somit<br />

einen überaus wesentlichen Teil der Jagd. Es ist also nicht verwunderlich, daß der Jäger, wenn<br />

sich bei ihm der Wunsch regt, erneut das Vergnügen auszukosten, das durch die Anwendung<br />

der Kraft auf der Jagd hervorgerufen wird, die Körperbewegungen des Tieres von neuem nachzuahmen<br />

beginnt und seinen originellen Jagdtanz schafft. Aber wodurch wird hier der Charakter<br />

des Tanzes, d. h. des Spiels bestimmt? Durch den Charakter der ernsten Beschäftigung, d. h.<br />

der Jagd. Das Spiel ist ein Kind der Arbeit, die ihm notwendigerweise zeitlich vorangeht.<br />

Ein anderes Beispiel. Bei einem der brasilianischen Stämme sah von den Steinen einen Tanz,<br />

der mit erschütternder Dramatik den Tod eines verwundeten Kriegers darstellte. 2 Was meinen<br />

Sie, was in diesem Falle [99] zuerst da war: der Krieg vor dem Tanz oder der Tanz vor dem<br />

Krieg? Ich denke, zuerst war der Krieg da und dann erst entstanden die Tänze, die die verschiedenen<br />

Kampfszenen darstellen; zuerst war der Eindruck da, den sein im Krieg verwundeter<br />

Gefährte auf den Wilden ausgeübt hat, und dann zeigte sich das Bestreben, diesen Eindruck<br />

mittels des Tanzes zu reproduzieren. Wenn ich recht habe, und davon bin ich überzeugt,<br />

dann habe ich auch hier volle Veranlassung zu sagen, daß die Tätigkeit, die ein utilitaristisches<br />

Ziel verfolgt, älter ist als das Spiel und daß das Spiel ihr Sprößling ist.<br />

Bücher würde vielleicht sagen, daß dem primitiven Menschen auch Krieg und Jagd nicht so<br />

sehr Arbeit als vielmehr Unterhaltung bedeuten, d. h. ebenfalls Spiel. Aber so reden heißt mit<br />

Worten spielen. Auf der. Entwicklungsstufe, auf der die niederen Jägerstämme stehen, sind<br />

Jagd und Krieg Tätigkeiten, die zur Erhaltung des Daseins des Jägers und zu seiner Selbstverteidigung<br />

notwendig sind. Beide, die eine wie die andere, verfolgen ein völlig bestimmtes<br />

utilitaristisches Ziel, und mit dem Spiel, das gerade durch den Mangel eines solchen Zieles<br />

charakterisiert wird, kann man sie nur bei einem starken und fast bewußten Mißbrauch der<br />

Termini gleichsetzen. Dazu sagen die Kenner der Lebensweise der Wilden, daß die Wilden<br />

nie um des Vergnügens allein willen jagen. 3<br />

Im übrigen wollen wir ein drittes Beispiel nehmen, das bezüglich der Richtigkeit der von mir<br />

vertretenen Ansicht einfach keinen Zweifel zuläßt.<br />

Schon im Vorangegangenen habe ich auf die große Bedeutung der gesellschaftlichen Arbeit<br />

im Leben jener primitiven Völker hingewiesen, die sich neben der Jagd auch mit Ackerbau<br />

beschäftigen. Jetzt will ich Ihre Aufmerksamkeit darauf lenken, wie die gesellschaftliche Bearbeitung<br />

der Felder bei den Bagobos, einem Eingeborenenstamm auf dem südlichen Mindanao,<br />

vor sich geht. Dort beschäftigen sich beide Geschlechter mit Ackerbau. Am Tage der<br />

Reissaat versammeln sich Männer und Frauen am frühesten Morgen und machen sich an die<br />

Arbeit. Voran [100] schreiten die Männer und stoßen tanzend die eisernen Spaten in die Erde.<br />

Hinter ihnen folgen die Frauen, die die Reiskörner in die von den Männern geschaffenen Vertiefungen<br />

werfen und sie mit Erde zuschütten. Alles das vollzieht sich mit feierlichem Ernst. 4<br />

1 Vgl. Cranz, „Historie von Grönland“, 1, S. 207.<br />

2 [Von den Steinen,] „Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens“, S. 324.<br />

3 „The Indians never hunted game for sport.“ Dorsey, „Omaha Sociology“, „Third annual Report“, p. 267. Vgl.<br />

bei Hellwald: „Die Jagd ist aber zugleich an und für sich Arbeit, eine Anspannung physischer Kräfte, und<br />

daß sie als Arbeit und nicht etwa als Vergnügen von den wirklichen Jagdstämmen aufgefaßt wird, darüber<br />

sind wir erst kürzlich belehrt worden.“ „Kulturgeschichte“, Augsburg 1876, I, S. 109. [In der .4. Auflage<br />

heißt es: „Daß die Jagd von dem Urmenschen weniger als Vergnügen, wie bei uns, sondern mehr als Arbeit<br />

betrachtet wurde, lehrt uns das Beispiel heutiger wilder Jägerstämme, welche der Jagd nicht bloß ihre Nahrung,<br />

sondern auch ihre Bekleidung und eine große Menge für sie nützlicher oder unentbehrlicher Gegenstände verdanken.“<br />

Friedrich von Hellwald, „Kulturgeschichte in ihrer natürlichen Entwicklung bis zur Gegenwart“,<br />

Leipzig 1896, Bd. I, S. 166.]<br />

4 „Die Bewohner von Süd-Mindanao und der Insel Samal“ von A. Schadenberg; „Zeitschrift für Ethnologie“,<br />

Band XVII, S. 19.<br />

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