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erschien nennen menschenähnlichen

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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 11.07.2013<br />

deren Tiere kennen nur utilitaristische Tätigkeit. Auf den höheren Stufen der Leiter der Lebewesen<br />

verhält es sich jedoch schon nicht mehr so. Hier werden nicht alle Kräfte von der<br />

utilitaristischen Tätigkeit verschlungen. Dank der besseren Ernährung häuft sich im Organismus<br />

ein gewisser Kraftüberschuß an, der einen Ausweg sucht, und wenn das Tier spielt, so<br />

gehorcht es eben diesem Erfordernis. Das Spiel ist eine künstliche Übung der Kraft. 1<br />

Das ist die Entstehung des Spiels. Und was ist sein Inhalt? Mit anderen Worten: Wenn das<br />

Tier im Spiel seine Kräfte übt, warum übt dann das eine Tier sie so, ein anderes aber anders?<br />

Warum spielen Tiere verschiedener Gattungen verschiedene Spiele?<br />

Nach den Worten Spencers zeigen uns die Raubtiere deutlich, daß ihr Spiel eine gemimte Jagd<br />

und ein gemimter Kampf ist. Das ganze Spiel ist „nichts anderes als eine dramatisierte Verfolgung<br />

eines Beutetieres, das heißt eine ideale Befriedigung der zerstörenden Instinkte... in Ermangelung<br />

einer realen Befriedigung derselben“ 2 . Was bedeutet das aber? Das bedeutet, daß<br />

der Inhalt des Spiels bei Tieren durch die Tätigkeit bestimmt wird, mittels welcher sie ihre Existenz<br />

aufrechterhalten. Was geht wem voraus: das Spiel der utilitaristischen Tätigkeit oder die<br />

utilitaristische Tätigkeit dem Spiel? Es ist klar, die utilitaristische Tätigkeit ist vor dem Spiel da,<br />

das erstere ist „älter“ als das zweite. Und was sehen wir beim Menschen? Die „Spiele“ der<br />

Kinder: wie sie ihre Puppen pflegen, wie sie Teegesellschaften geben usw. – sind lauter Dramatisierungen<br />

der Tätigkeiten Erwachsener. 3 Und welche Ziele verfolgen Erwachsene mit ihrer<br />

Tätigkeit? In der ungeheuren Mehrzahl der Fälle verfolgen sie utilitaristische Ziele. Das bedeutet,<br />

auch bei den Menschen geht die Tätigkeit, die utilitaristische Ziele verfolgt – oder, anders<br />

ausgedrückt, die Tätigkeit, die zum Unterhalt des Lebens der einzelnen Personen und der ganzen<br />

Gesellschaft notwendig ist –‚ dem Spiel voran und bestimmt seinen Inhalt. Das ist der<br />

Schluß, der sich logisch aus dem ergibt, was Spencer über das Spiel sagt.<br />

[98] Dieser logische Schluß deckt sich genau mit der Ansicht Wilhelm Wundts über diesen<br />

Gegenstand.<br />

„Das Spiel ist das Kind der Arbeit“, sagt der berühmte Psychophysiologe. „Es gibt keine Form<br />

des Spiels, die nicht in irgendeiner Form ernster Beschäftigung ihr Vorbild fände, welches naturgemäß<br />

auch der Zeit nach immer vorangeht. Denn die Not des Lebens zwingt zur Arbeit. In<br />

ihr lernt aber allmählich der Mensch die Betätigung seiner Kräfte als einen Genuß schätzen.“ 4<br />

Das Spiel geht hervor aus dem Bestreben, das Vergnügen von neuem zu kosten, das durch die<br />

praktische Betätigung der Kraft verursacht wird. Und je größer der Vorrat an Kraft, desto<br />

größer der Hang zum Spiel, natürlich unter sonst gleichen Bedingungen. Nichts ist leichter,<br />

als sich davon zu überzeugen.<br />

Hier, wie überall, werde ich meinen Gedanken mit Beispielen belegen und veranschaulichen.<br />

Bekanntlich reproduzieren Wilde in ihren Tänzen oft die Bewegungen verschiedener Tiere. 5<br />

Wodurch ist das zu erklären? Durch nichts anderes als durch das Bestreben, von neuem das<br />

Vergnügen zu erleben, das durch die Anwendung der Kraft auf der Jagd verursacht wurde. Sehen<br />

Sie, wie der Eskimo den Seehund jagt: er kriecht auf dem Bauche an ihn heran; er bemüht<br />

sich, den Kopf so zu halten, wie ihn der Seehund hält; er ahmt alle seine Bewegungen nach,<br />

und erst wenn er bis auf kurze Entfernung an ihn herangekommen ist, entschließt er sich end-<br />

1 Vgl. „Prinzipien der Psychologie“. St. Petersburg 1876 Bd. IV, S. 330 ff. [Spencer, „Die Principien der Psychologie“,<br />

Bd. II, Stuttgart 1886, S. 704 ff.]<br />

2 Ebenda, S. 335. [Zit. Werk, S. 710.]<br />

3 Vgl. ebenda, S. 335.<br />

4 [Wilhelm Wundt,] „Ethik“, Stuttgart 1886, S. 145.<br />

5 „So sprachen sie von einem Affentanz, einem Faultiertanz, eine in Vogeltanz usw.“; Schomburgk, „Reisen<br />

in Britisch-Guiana“, Leipzig 1847, Erster Teil, S. 154.<br />

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