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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 08.07.2013<br />

wechselt war, war alles verloren; und wenn man sich über etwas wundern sollte, so darüber,<br />

daß das Römische Imperium noch eine kurze Zeit überstanden hat“ (ebenda, Bd. I, S. 577).<br />

Sie sehen hier deutlich, was nach Voltaire die Hauptursache des Niedergangs Roms war. Diese<br />

Ursache war der Triumph des Christentums. Übrigens, Voltaire sagt das selbst mit der ihm<br />

eigenen beißenden Ironie: „Das Christentum öffnete den Himmel, aber es richtete das Imperium<br />

zugrunde“ (ebenda, Bd. I, S. 377). Hatte er recht? Hat er sich geirrt? Das interessiert uns<br />

im Augenblick nicht. Was uns wichtig, ist, daß wir [11] uns genau über die historischen Ansichten<br />

Voltaires klarwerden. Mit der kritischen Beurteilung dieser Anschauungen werden<br />

wir uns später befassen.<br />

Wir sehen also, daß nach Voltaire das römische Weltreich durch das Christentum zugrunde<br />

gerichtet worden ist. Vom menschlichen Standpunkt aus darf man sich fragen: Warum triumphierte<br />

in Rom gerade das Christentum?<br />

Wie Voltaire meinte, war das Hauptwerkzeug des Sieges des Christentums Konstantin, den er<br />

in Übereinstimmung mit der historischen Wahrheit als einen bösen und heuchlerischen Herrscher<br />

zeichnet. Kann aber irgendein Mensch, sei er nun Kaiser oder sei er sehr schlecht und<br />

sehr abergläubisch – kann ein Mensch mit seinen eigenen Kräften den Sieg irgendeiner Religion<br />

bewirken? Voltaire hielt es für möglich. Und zu seiner Zeit dachte er nicht allein so.<br />

Alle Philosophen dachten damals so. Als Beispiel führe ich Ihnen die Meinung eines anderen<br />

Schriftstellers über die Entstehung des jüdischen Volkes und über das Christentum an. 1*<br />

Wenn die theologische Geschichtsauffassung in der Erklärung der historischen Entwicklung<br />

durch den Willen oder das Wirken, sei es direkt oder indirekt, einer oder mehrerer Kräfte<br />

besteht, so besteht die idealistische Auffassung in der Erklärung dieser historischen Entwicklung<br />

durch die Evolution der Sitten und Ideen oder wie man im 18. Jahrhundert sagte, durch<br />

die Evolution der Meinung (de l’opinion).<br />

„Als Meinung bezeichne ich“, sagt Suard, „das Resultat der Masse der in einer Nation verbreiteten<br />

Wahrheiten und Irrtümer; ein Resultat, das ihre Urteile der Achtung oder Mißbilligung,<br />

der Liebe oder des Hasses bestimmt; das ihre Neigungen und Gewohnheiten, ihre Laster<br />

und Tugenden bildet, mit einem Wort – ihre Sitten. Und diese Meinung regiert auch die<br />

Welt“ (Suard, „Mélanges de littérature“, t. III, p. 400).<br />

Da die Ideen die Welt lenken, ist es offensichtlich, daß die Ideen die grundlegende und tiefste<br />

Ursache des historischen Prozesses sind, und es nimmt nicht wunder, wenn sich der Historiker<br />

auf die Ideen als auf die Kraft beruft, die die Ereignisse dieser oder jener historischen<br />

Periode im tiefsten Grunde bedingt.<br />

1* Plechanow denkt hier an die Betrachtungen von P. Holbach über die Entstehung des jüdischen Volkes und des<br />

Christentums, dargelegt in seiner Arbeit „Entlarvtes Christentum“. Im zweiten Kapitel, betitelt „Kurze Geschichte<br />

des jüdischen Volkes“, schrieb Holbach: „In einem kleinen, den anderen Völkern fast unbekannten<br />

Lande lebte ein Volk, dessen Begründer, nachdem sie lange Zeit bei den Ägyptern in der Sklaverei gewesen<br />

waren, aus ihrer Knechtschaft befreit wurden von einem Priester aus Heliopolis, der durch seinen Geist und<br />

seine überragenden Kenntnisse über sie Gewalt zu bekommen verstand. 1 Dieser Mann, bekannt unter dem Namen<br />

Moses, wohl vertraut mit dem Wissen dieses an Wundern so reichen Landes, das jeden Aberglauben hervorbrachte,<br />

stellte sich an die Spitze eines Trupps von Flüchtlingen, denen er einredete, daß er der Interpret des<br />

Willens ihres Gottes sei, daß er direkt von ihm Befehle erhalte. Er unterstützte, wie es heißt, seine Mission<br />

durch Werke, welche Menschen, die die Naturkräfte und die künstlichen Hilfsmittel nicht kannten, übernatürlich<br />

<strong>erschien</strong>en.“ (P. Holbach, „Le christianisme dévoilé, Londres 1767, S. 33.) – 1 Die ägyptischen Geschichtsschreiber<br />

Manethon und Cheremon, deren Zeugnis uns der Jude Josephus (Flavius?) übermittelt hat, berichten,<br />

daß einstmals eine Schar Aussätziger vom König Amenophis aus Ägypten vertrieben wurde, daß diese Ausgewiesenen<br />

einen Priester aus Heliopolis namens Moses zu ihrem Anführer wählten, der ihnen eine Religion schuf<br />

und Gesetze gab. (Siehe „Josephus gegen Apion“, Buch I, Kap. 9, 11 und 12). Die Geschichte Moses’ erzählt<br />

Diodorus Siculus (übersetzt von Abbé Terrasson). Anmerkung von Holbach.<br />

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