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erschien nennen menschenähnlichen

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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 11.07.2013<br />

Demnach wird das Verstehen des Übergangs von der einfachen Nahrungssuche zur wirtschaftlichen<br />

Tätigkeit dadurch behindert, daß es schwer ist, zwischen Arbeit und Spiel eine<br />

Grenze zu ziehen.<br />

Die Lösung der Frage nach der Beziehung der Arbeit zum Spiel oder, wenn Sie wollen, des<br />

Spiels zur Arbeit, ist höchst wichtig zur Erklärung der Genesis der Kunst. Deshalb fordere ich<br />

Sie auf, sehr geehrter Herr, alles, was Bücher hierüber sagt, aufmerksam anzuhören und sorgfältig<br />

abzuwägen. Möge er selbst seine Ansicht darlegen.<br />

„Aller Wahrscheinlichkeit nach sind es ähnliche Triebe, wie sie auch die höheren Tiere zeigen,<br />

welche den Menschen bewegen, über die bloße [96] Nahrungssuche hinaus sich zu betätigen,<br />

insbesondere der Nachahmungs- und Experimentiertrieb. Die Zähmung der Haustiere<br />

zum Beispiel beginnt nicht mit den Nutztieren, sondern mit solchen Arten, die der Mensch<br />

bloß zu seinem Vergnügen hält. Die gewerbliche Tätigkeit scheint allerwärts auszugehen von<br />

der Körperbemalung, Tätowierung, Durchbohrung oder sonst.[iger] Verunstaltung einzelner<br />

Körperteile und nach und nach fortzuschreiten zur Erzeugung von Schmuck, Masken, Rindenzeichnungen,<br />

Petroglyphen und ähnlichen Spielereien... Im Spiele bildet sich demnach die<br />

Technik aus, und sie wendet sich nur sehr allmählich vom Unterhaltenden dem Nützlichen<br />

zu. Die seither angenommene Stufenfolge muß also gerade umgekehrt werden: das Spiel ist<br />

älter als die Arbeit, die Kunst älter als die Nutzproduktion.“ 1<br />

Sie hören es: das Spiel ist älter als die Arbeit, und die Kunst ist älter als die Herstellung nützlicher<br />

Gegenstände.<br />

Jetzt wird Ihnen verständlich, warum ich Sie gebeten habe, sich den Worten Büchers gegenüber<br />

aufmerksam zu verhalten: sie stehen in ganz engem Zusammenhang zu der von mir vertretenen<br />

historischen Theorie. Ist das Spiel wirklich älter als die Arbeit und die Kunst wirklich<br />

älter als die Herstellung nützlicher Gegenstände, dann hält die materialistische Geschichtsauffassung,<br />

wenigstens in der Form, die ihr der Verfasser des „Kapitals“ gegeben hat,<br />

der Kritik der Tatsachen nicht stand, und meine ganze Beweisführung muß auf den Kopf<br />

gestellt werden: ich muß urteilen über die Abhängigkeit der Ökonomik von der Kunst, und<br />

nicht über die Abhängigkeit der Kunst von der Ökonomik. Hat Bücher aber recht?<br />

Überprüfen wir zunächst, was er über das Spiel gesagt hat. Von der Kunst wird dann weiter<br />

unten die Rede sein.<br />

Nach Spencer ist das Hauptkennzeichen des Spiels der Umstand, daß es die Prozesse, die<br />

zum Lebensunterhalt notwendig sind, nicht unmittelbar fördert. Die Tätigkeit des Spielenden<br />

verfolgt kein bestimmtes utilitaristisches Ziel. Allerdings ist die Übung der Organe, die durch<br />

das Spiel in Bewegung gebracht werden, sowohl für das spielende Individuum als auch letzten<br />

Endes für die ganze Sippe nützlich. Aber Übung wird auch durch eine Tätigkeit nicht<br />

ausgeschlossen, die utilitaristische Ziele verfolgt. Es handelt sich nicht um die Übung, sondern<br />

darum, daß die utilitaristische Tätigkeit neben der Übung und dem durch sie verschafften<br />

Vergnügen noch zur Erreichung irgendeines praktischen Zieles – zum Beispiel zum Nahrungserwerb<br />

– führt, während dem Spiel dieses Ziel fehlt. Wenn die Katze eine Maus fängt,<br />

so verschafft sie sich außer dem Vergnügen, das ihr die Übung ihrer Organe verschafft, auch<br />

ein leckeres [97] Fressen, wenn aber dieselbe Katze einem über den Boden hingerollten<br />

Garnknäuel nachhuscht, hat sie nichts als das durch das Spiel verschaffte Vergnügen. Wenn<br />

das so ist, wie konnte dann eine solche zwecklose Tätigkeit entstehen?<br />

Es ist bekannt, wie Spencer darauf antwortet. Bei niederen Tieren werden alle Kräfte des Organismus<br />

auf die zur Erhaltung des Lebens notwendigen Verrichtungen verausgabt. Die nie-<br />

1 Ebenda, S. 93/94. [Zit. Werk, S. 28/29.]<br />

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