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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 23.07.2013<br />

[968]<br />

Rezension des Buches von G. Maugras<br />

„Die letzten Tage einer Gesellschaft“*<br />

GASTON MAUGRAS. Die letzten Tage einer Gesellschaft: der Herzog von Lauzun und das Leben am Hofe Ludwigs<br />

XVI. und der Marie-Antoinette. Übersetzt aus dem Französischen. St. Petersburg. Verlag L. F. Pantelejew,<br />

1897.<br />

Das Buch, dessen Titel wir herausgeschrieben haben, ist nicht die erste Arbeit von Maugras.<br />

Er hat bereits eine ganze Reihe von Untersuchungen veröffentlicht, die er teils in Zusammenarbeit<br />

mit Lucien Perey (Pseudonym für M lle Herpin) geschrieben hat und die das Leben einiger<br />

mehr oder weniger hervorragender Personen Frankreichs im vorigen Jahrhundert betreffen.<br />

Solche Werke sind: „L’abbé Galiani“, „La jeunesse dc Madame d’Epinay“, „Les dernières<br />

annes de Madame d’Epinay“, „La vie intime de Voltaire aux Délices et à Ferney“,<br />

„Voltaire et Rousseau“. Alle diese Werke zeugen von dem Fleiß der Verfasser (oder des Verfassers),<br />

aber sie glänzen weder durch talentvolle Darstellung noch durch Gedankentiefe. Wir<br />

wollen noch deutlicher werden und es offen sagen: Gaston Maugras erscheint uns als ziemlich<br />

beschränkter Mensch. Seine Ansichten sind sehr eng, sein Urteil ist sehr parteiisch. Ihn<br />

schrecken die „gefährlichen Utopien“ Rousseaus („Voltaire et Rousseau“, p. 588); ihn entsetzen<br />

die Ereignisse am Ende des vorigen Jahrhunderts 1 . Er versteht nicht, einen objektiven<br />

Standpunkt einzunehmen. Bei einer solchen Empfänglichkeit und bei einem solchen Mangel<br />

an Objektivität kann man nur das Material für die Historiker sammeln, aber selbst kann man<br />

kein Historiker werden. Als eine solche Sammlung von Material sind allgemein alle Werke<br />

von Maugras und im besonderen das Buch „Die letzten Tage einer Gesellschaft“ anzusehen.<br />

Der Held dieses Buches ist der Herzog von Lauzun, der in der letzten Zeit seines Lebens den<br />

Titel Herzog von Biron führte. Bekanntlich wurde Lauzun von vielen als ganz sittenloser<br />

Mensch hingestellt. Maugras bestreitet diese Ansicht. Nach seiner Meinung war Lauzun natürlich<br />

in bezug auf die Frauen kein „Unschuldsengel“, aber das ist kein persönlicher Fehler<br />

von ihm: im 18. Jahrhundert kannten die Männer seines Standes 2 [969] gar kein anderes Verhältnis<br />

zu den Frauen. Und auch die Frauen dieser Gesellschaftsklasse dachten nicht an ewige<br />

Liebe und Treue; die Liebe war für sie nichts als ein gelegentliches Amüsement. Lauzun<br />

amüsierte sich sehr gern auf solche Weise, aber zugleich war er gütig, großmütig, zeichnete<br />

er sich aus durch Schärfe des Verstandes, Treue in der Freundschaft, edlen Stolz und ritterliche<br />

Kühnheit. Er „war die vollkommenste, glänzendste Verkörperung des ausgehenden achtzehnten<br />

Jahrhunderts“ sagt Maugras, „er zeichnete sich aus durch alle Mängel dieser Zeit,<br />

aber auch durch alle ihre bezaubernden Seiten, durch ihre edlen und hochherzigen Anschauungen“.<br />

Das ist nicht richtig. Lauzun war ohne jeden Zweifel ein feiner, gütiger und großmütiger<br />

adliger Herr. Aber gerade weil seine Erziehung, sein Charakter und seine Lebensweise<br />

die eines Adligen waren, kann man ihn nicht für die „vollkommenste Verkörperung des ausgehenden<br />

achtzehnten Jahrhunderts“ halten. Die geistige Arbeit spielte in seinem Leben nur<br />

eine ganz unbedeutende, zufällige Rolle, während doch kraftvolles und leidenschaftliches<br />

Denken das Kennzeichen des 18. Jahrhunderts besonders in seiner zweiten Hälfte bildet. Den<br />

Anschauungen Lauzuns fehlte wirklich nicht ein edler Zug; er begeisterte sich, wie es<br />

scheint, recht leidenschaftlich für die neuen Bestrebungen seines Jahrhunderts, aber auch hier<br />

* Anmerkungen für: Rezension des Buches von O. Maugras „Das Ende einer Gesellschaft“ (S. 968-974) am<br />

Ende des Kapitels.<br />

1 Im Manuskript ist aus Zensurrücksichten durchgestrichen: „Die ‚Schrecken der Revolution‘ lassen ihn auch<br />

jetzt noch erzittern.“ Die Red.<br />

2 Im Manuskript stand anstatt „Standes“ – „Klasse“. Die Red.<br />

1

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