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erschien nennen menschenähnlichen

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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 11.07.2013<br />

Dritter Brief<br />

Wie entwickelte sich aus der individuellen Nahrungssuche die Wirtschaft? Davon können wir<br />

uns, so meint Bücher, gegenwärtig fast keinen Begriff machen; ich glaube, wir können uns<br />

einen Begriff machen, wenn wir in Erwägung ziehen, daß die Nahrungssuche ursprünglich<br />

gesellschaftlich und nicht individuell war. Die Menschen „suchten“ die Nahrung ursprünglich<br />

ebenso, wie die geselligen Tiere sie „suchen“: die vereinigten Kräfte mehr oder weniger großer<br />

Gruppen richteten sich ursprünglich auf die Aneignung fertiger Gaben der Natur. Der von<br />

mir im vorigen Brief zitierte Earle bemerkt, nach den Worten de la Gironnières, richtig, daß<br />

die Negritos an eine Herde Orang-Utans gemahnen, die einen Raubüberfall unternehmen,<br />

wenn sie in ganzen Clans auf die Jagd gehen. Ein solcher Überfall erinnert auch an die oben<br />

beschriebene Verwüstung der Felder durch die vereinigten Kräfte der Pygmäen vom Stamme<br />

der Akka. Wenn man unter Wirtschaft die gemeinsame, auf die Heranschaffung von Gütern<br />

gerichtete Tätigkeit der Menschen zu verstehen hat, muß man derartige Überfälle als eine der<br />

allerersten Arten der wirtschaftlichen Tätigkeit anerkennen.<br />

Als ursprüngliche Beschaffung von Gütern gilt das Sammeln der fertigen Gaben der Natur. 1<br />

Dieses Sammeln selbst kann natürlich in mehrere Arten unterteilt werden, zu denen der<br />

Fischfang und die Jagd gehören. Auf das Sammeln folgt die Produktion, manchmal, wie wir<br />

das an [95] der Geschichte des ursprünglichen Ackerbaus sehen, damit verknüpft durch eine<br />

Reihe unmerklicher Übergänge. Der Ackerbau – auch der allerprimitivste – besitzt natürlich<br />

bereits alle Merkmale einer wirtschaftlichen Tätigkeit. 2<br />

Da aber die Bearbeitung der Felder ursprünglich sehr häufig durch den Blutsverband gemeinschaftlich<br />

durchgeführt wurde, haben Sie ein anschauliches Beispiel dafür, wie die gesellschaftlich,<br />

auf den primitiven Menschen von seinen anthropomorphen Vorfahren vererbten<br />

Instinkte in seiner wirtschaftlichen Tätigkeit weite Anwendung finden konnten. Das weitere<br />

Schicksal dieser Instinkte wurde durch jene – sich ständig verändernden – Wechselbeziehungen<br />

bestimmt, in welche die Menschen in dieser Tätigkeit eingetreten sind, oder, wie sich<br />

Marx ausdrückte, durch den Produktionsprozeß ihres Lebens. Das alles ist so natürlich wie<br />

nur möglich, und ich verstehe nicht, worin die unbegreifliche Seite dieses natürlichen Ganges<br />

der Entwicklung liegen soll.<br />

Übrigens, warten Sie mal!<br />

Nach Bücher liegt die Schwierigkeit in folgendem: „Wie sich aus der individuellen Nahrungssuche<br />

die Wirtschaft entwickelt hat, läßt sich heute kaum vermuten. Der Gedanke liegt<br />

nahe, daß der Wendepunkt da liegen müsse, wo an Stelle der bloßen Okkupation von Naturgaben<br />

zum sofortigen Genuß die auf ein entfernteres Ziel gerichtete Produktion, an Stelle der<br />

instinktiven Organbetätigung die Arbeit als zweckbewußte Verwendung leiblicher Kraft tritt.<br />

Mit dieser rein theoretischen Feststellung wäre aber auch noch nicht viel gewonnen. Die Arbeit<br />

bei den Naturvölkern ist ein recht nebelhaftes Gebilde. Je weiter wir sie zurückverfolgen,<br />

um so mehr nähert sie sich nach Form und Inhalt dem Spiel.“ 3<br />

1 „Das Sammelvolk und nicht das Jägervolk müßte danach an dem unteren Ende einer wirtschaftlichen Stufenleiter<br />

der Menschheit stehen“‚ bemerkt richtig Pankow in „Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin“,<br />

Bd. XXX, Nr. 3, S. 162. So betrachten die Sache auch die Brüder Sarasin, nach deren Meinung die Jagd ein<br />

wichtiges Mittel des Erwerbs von Nahrung – nur auf einer verhältnismäßig höheren Entwicklungsstufe ist. „Die<br />

Weddas“, S. 401.<br />

2 Ansätze der wirtschaftlichen Tätigkeit kann man auch in einigen Gewohnheiten der Australier sehen, die, wie<br />

schon so oft, davon zeugen, daß die Australier auch an die Zukunft denken. Bei ihnen ist es verboten, Pflanzen<br />

mit der Wurzel auszureißen, deren Früchte sie als Nahrung gebrauchen, und Nester der Vögel zu zerstören,<br />

deren Eier sie essen, usw. Ratzel, „Anthropo-Geographie“ I, S. 348.<br />

3 [Bücher,] „Vier Skizzen“, S. 92/93. [Zit. Werk, S. 27.]<br />

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