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erschien nennen menschenähnlichen

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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 23.07.2013<br />

diese zwei Schandflecke seines Denkens (ces deux déshonneurs de sa pensée) mit Füßen zu<br />

zertreten (fouler aux pieds), ... so wäre er vielleicht in jeder Beziehung ein großer Dichter<br />

geworden, aber jetzt ist er nur ein Bruchstück eines großen Dichters.“ 1 Solche Äußerungen<br />

kann man bei ihm viele finden. Barbey d’Aurevilly war ein entschiedener Anhänger des Katholizismus<br />

und ein ebenso entschiedener Gegner der Demokratie. Soweit wir berechtigt sind,<br />

uns auf Grund einiger ziemlich unklarer Anspielungen ein Urteil zu bilden, macht Hamsun<br />

seinen Ivar Kareno zu einem Feind nicht nur des Katholizismus, sondern des Christentums<br />

über-[950]haupt. 2 In dieser Hinsicht hat Ivar Kareno recht wenig Ähnlichkeit mit dem „letzten<br />

höherstehenden Menschen nach dem Byronschen Typus“. Aber in politischer Hinsicht<br />

steht er ihm sehr nahe: wir wissen sehr wohl, wie Kareno die Demokratie haßt. Hier würde er<br />

gern mit Barbey d’Aurevilly Hand in Hand gehen. Und das bedeutet, daß er in einem seiner<br />

wichtigsten Charakterzüge mit dem entarteten „Byronschen Typus“ geistesverwandt ist.<br />

Wenn er das Geisteskind des Doktor Stockmann ist, so waren die Menschen Byronschen Typus<br />

sicherlich unter seinen entfernteren Vorfahren.<br />

So verhält sich die Sache vom Standpunkt der Psychologie aus. Und wie steht es damit vom<br />

Standpunkt der Soziologie? Weshalb ist der „Byronsche Typus“ entartet? Weshalb sind die<br />

„höherstehenden Menschen“, die einmal den Despotismus gehaßt und mit den freiheitlichen<br />

Bestrebungen der Völker mehr oder weniger sympathisiert haben, bereit, jetzt begeistert für<br />

die Despoten zu schwärmen und die Freiheitsbestrebungen der Arbeiterklasse in den Schmutz<br />

zu treten? Weil sich die gesellschaftliche Verhältnisse von Grund auf geändert haben. Die<br />

bürgerliche Gesellschaft macht jetzt eine ganz andere Phase ihrer Entwicklung durch. Sie war<br />

noch jung, als der echte (nicht entartete) „Byronsche Typus“ 3 glänzte. Sie geht jetzt dem Verfall<br />

entgegen in einer Zeit, in der – wie eine neue Kupfermünze – der Nietzschetypus in seiner<br />

eigenen Art erstrahlt, zu dessen Vertretern Ivar Kareno gehört.<br />

Die Nietzschemenschen halten sich für unversöhnliche Feinde des Spießertums. Aber in<br />

Wirklichkeit sind sie völlig von dessen Geist durchdrungen.<br />

Wir haben bereits gesehen, wie sich der ihnen eigene Spießergeist auf das Schaffen Knut<br />

Hamsuns ausgewirkt hat: bei diesem so großen Künstler ging das so weit, daß der von ihm<br />

geschaffene Typus tragikomisch wirkt, während er nach der Absicht des Verfassers auf uns<br />

durch seine tiefe Tragik ergreifend wirken sollte. Das ist schlimm, sehr schlimm. Hier muß<br />

man schon sagen, daß die proletarierfeindliche Tendenz der „heldenhaften“ Spießer unserer<br />

Zeit den Interessen der Kunst sehr abträglich ist.<br />

Anmerkungen<br />

Dieser Aufsatz <strong>erschien</strong> erstmals in Plechanows Artikelsammlung „Von der Abwehr zum<br />

Angriff“ (St. Petersburg 1910), für die er speziell geschrieben wurde. In der Gesamtausgabe<br />

seiner Werke wurde er in den Bd. XIV, S. 238 -258, aufgenommen.<br />

Dieser Aufsatz über Knut Hamsuns Stück „An des Reiches Pforten“ und seinen Helden Ivar<br />

Kareno ist eigentlich die Fortsetzung des Aufsatzes über Ibsen. Die Sache ist nicht nur die,<br />

daß Hamsun wie auch Ibsen ein norwegischer Schriftsteller ist. Plechanow betrachtet Ivar<br />

1 „Les poètes“, éd. 1893.<br />

2 Er ruft Jerven, als er sich von dessen „Verrat“ überzeugt hat, zu: „Geh und gib dein Geld den Pfaffen“ (S. 87<br />

[104]). Als seine Frau gekränkt daran erinnert, daß er sich gar nicht über das Bild gefreut habe, das sie ihm zu<br />

seinem Geburtstag geschenkt hatte, erwidert er ruhig: „Aber liebe Zeit, es war ja ein Christusbild, Elina“ (S. 67<br />

[84]). Die arme Frau Kareno ist überzeugt, daß „er überhaupt nicht an Gott glaubt“ (S. 47).<br />

3 Nicht umsonst stellt sich Byrons Held Lara, dem die Interessen seiner Mitmenschen im Grunde gleichgültig<br />

sind, an die Spitze der Empörung gegen die Feudalherren.<br />

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