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erschien nennen menschenähnlichen

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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 23.07.2013<br />

In Kellern, Höhlen suchet Rast;<br />

Für andere baut ihr den Palast.<br />

Ihr flucht der selbstgeschaffnen Not,<br />

Der Stahl, den ihr geschmiedet, droht. 1<br />

Diese Gefühle sind das direkte Gegenteil derer, die den tragikomischen Kareno inspirieren.<br />

Shelley war zwar ebenfalls, wenn nicht die einzige, so doch eine seltene Ausnahme von der<br />

allgemeinen Regel. Die Romantiker waren im allgemeinen bei weitem nicht so begeistert für<br />

das Volk wie er. Sie waren ebenfalls Ideologen der Bourgeoisie und betrachteten das Volk<br />

nicht selten als den „Haufen“, der sich zu nichts anderem eigne als dazu, für einzelne hervorragende<br />

Persönlichkeiten als Fußschemel zu dienen. Von diesem Mangel ist zum Beispiel<br />

Byron nicht ganz frei. 2 Aber auch Byron haßte den Despotismus, und auch Byron sympathisierte<br />

mit den damaligen Freiheitsbewegungen der Völker. Aber lassen wir Byron und die<br />

Romantiker! Denken Sie an die stolzen und edlen Worte, mit denen sich bei Goethe Prometheus<br />

an Zeus wendet:<br />

Ich dich ehren? Wofür?<br />

Hast du die Schmerzen gelindert<br />

Je des Beladenen?<br />

Hast du die Tränen gestillet<br />

Je des Geängsteten?<br />

[949] Hier – selbst bei dem „Olympier“ Goethe! – sehen wir wiederum Gefühle, die denen<br />

direkt entgegengesetzt sind, welche die Stimmung Karenos charakterisieren. Wenn Kareno,<br />

der nach Hamsuns Absicht ebenfalls so etwas wie einen sich empörenden Titanen vorstellen<br />

soll, auf den Gedanken käme, seinen Unwillen gegen den Himmel zu formulieren, so würde<br />

er natürlich Zeus nicht deswegen Vorwürfe machen, weil dieser gegen die Leiden der Menschen<br />

gleichgültig, sondern nur deshalb, weil er gegen sie zu gleichgültig sei. Er würde finden,<br />

daß sich der „Vater der Götter und Menschen“ nicht genügend die Ethik der Starken zu<br />

eigen gemacht habe, so wie er, der cand. phil. Ivar Kareno, sie auffaßt.<br />

Mit einem Wort, wir haben hier eine ganze Umwälzung vor uns. Es wäre für die Theorie im<br />

höchsten Grade wichtig zu untersuchen, wie diese Umwälzung in den westeuropäischen Literaturen<br />

vorbereitet wurde. Ich kann mich hier nicht damit befassen. Aber ich möchte feststellen,<br />

daß etwas – übrigens sehr, sehr wenig – in dieser Richtung bereits getan worden ist, namentlich<br />

von den Franzosen. Zu den Werken, die viele Angaben enthalten, die zur Charakteristik<br />

des uns hier interessierenden gesellschaftlich-psychologischen Prozesses dienen könnten,<br />

ist ein Buch von René Canat, „Du sentiment de la solitude morale chez les romantiques<br />

et les Parnassiens“ (Paris 1904), zu rechnen. Canat gibt interessante Hinweise, wie sich in<br />

Frankreich allmählich die Züge des bei den Romantikern so beliebten Byronschen Typus<br />

(„type byronien“) verändert haben. Er sagt, daß die Züge dieses Typus unter anderem bei<br />

Baudelaire und Flaubert anzutreffen seien. „Der letzte höherstehende Mensch nach dem Byronschen<br />

Typus war der unterhaltsame (amusant) Barbey d’Aurevilly“ (S. 52).<br />

Das scheint mir richtig zu sein. Aber denken Sie daran, wie sich der „unterhaltsame“ Barbey<br />

d’Aurevilly zu den Freiheitsideen seiner Zeit verhielt. In seiner Charakteristik des Dichters<br />

Laurent Pichat lesen wir: „Wäre er willens gewesen, den Atheismus und die Demokratie,<br />

1 [Aus Percy Bysshe Shelleys Gedicht „An Englands Männer“ (1819); hier in der Übertragung von J. Seybt,<br />

Leipzig 1844.]<br />

2 Manfred sagt zu dem Jäger, der ihm in seiner Hütte Unterkunft gewährt hat: „Geduldig leiden! – nein; das ist<br />

nichts für Raubvögel, sondern nur für Zugtiere. Sag’ nur zu dem erbärmlichen Gesindel deinesgleichen: ich bin<br />

keiner von den eurigen.“<br />

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