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erschien nennen menschenähnlichen

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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 23.07.2013<br />

– in ihrer zärtlichen Besorgtheit für die Ausgebeuteten so weit gehen könnten, daß sie darüber<br />

die Grundsätze der Moral vergessen und Intriganten werden. Es gibt sehr wenige Menschen,<br />

die eine so üppige Phantasie besitzen. Auf alle übrigen aber muß diese Seite des<br />

Stücks von Hamsun den ganz unkünstlerischen Eindruck des Erdichteten, der Wahrheit nicht<br />

Entsprechenden machen. Ebenso unkünstlerisch muß auch der Charakter Karenos wirken.<br />

Indem Hamsun seinen Helden uns mitteilen läßt, daß sein Vorfahr Finne war, macht er gewissermaßen<br />

den Versuch, seinen Trotz für uns wahrscheinlich zu machen. Aber die trotzige<br />

Gesinnung steht hier gar nicht in Frage. Trotzige Menschen kann es überall geben, und damit<br />

wir an die trotzige Gesinnung Karenos glauben, brauchen wir gar nicht zu wissen, daß in seinen<br />

Adern das Blut eines „kleinen trotzigen Volkes“ rinnt. Die Frage ist die, welchen Charakter<br />

der Trotz Ivar Karenos angenommen hat. Und dieser Charakter macht wiederum den Eindruck<br />

von etwas Erdachtem, der Wahrheit nicht Entsprechendem.<br />

Wir wissen bereits, daß Kareno ein durch und durch uneigennütziger Mensch ist. Wenn er<br />

sich um seine Frau zu wenig kümmert, der er in Wirklichkeit sehr zugetan ist, so kommt dies<br />

einzig und allein davon, daß er ganz von seiner Idee in Anspruch genommen ist. In seinem<br />

Gesichtsfeld ist kein Platz für Menschen und Dinge, die nicht in direkter Beziehung stehen zu<br />

dem Ziel, das er sich gesetzt hat. Und deshalb vernachlässigt er seine materiellen Angelegenheiten<br />

so sehr, daß er den Gerichtsvollzieher zu sich kommen lassen muß. Und sogar dann.<br />

als die rauhe [946] Prosa des Lebens sehr eindringlich mahnend ihm entgegentritt, selbst<br />

dann, als ihm seine äußerst schwierige Lage sehr deutlich zum Bewußtsein kommt, zeigt er<br />

nicht die geringste Neigung zu einem Kompromiß. Vergeblich läßt der Liberale im grauen<br />

Hut, Professor Gylling, vor ihm die Sirenentöne der Liebe (wie es Hamsun beliebt) zum Proletariat<br />

erklingen. Kareno bleibt unerschütterlich fest. Erst dann, als er die Untreue seiner<br />

Frau entdeckt und in ihm der Wunsch sich regt, ihre Liebe zurückzugewinnen, macht er den<br />

Versuch, sein Verhalten zu ändern. „Etwas von meinem Buch kann ich dennoch umschreiben“,<br />

sagt er. „Ich habe darüber nachgedacht. Das Schlußkapitel, über den Liberalismus, hat<br />

den Professor Gylling in Harnisch gebracht. Gut, ich streiche es, es ist auch gar nicht so unbedingt<br />

notwendig. Und dann streiche ich auch noch einige andere zu scharfe Stellen. Das<br />

Buch ist dann immer noch recht ansehnlich. (Grob.) Ich revidiere, sage ich“ (S. 113/114<br />

[136]). Aber er überzeugt sich bald von der gänzlichen Aussichtslosigkeit seines Versuches.<br />

„Ich kehrte wieder um“, ruft er laut, vor der Türe stehend, die in das bereits leere Zimmer<br />

seiner Frau führt. „Elina, ich konnte es nicht. Du magst dazu sagen, was du willst. Ich revidiere<br />

nicht, hörst du? Ich bin es nicht imstand“ (S. 118 [143]). Das ist wirklich eine Hingabe<br />

an die Idee, wie man sie selten findet und die alle Achtung verdient. Aber was ist das für eine<br />

Idee? Wir wissen es bereits: es ist die Idee von der Ausrottung der Arbeiterklasse, die Idee<br />

des Menschenhasses Kareno legt eine ausnehmend gute Eigenschaft an den Tag, während er<br />

nach einem ausnehmend schlechten und noch dazu vollkommen törichten Ziele strebt. Und<br />

dieser Widerspruch ist es, der den künstlerischen Wert des Stückes am meisten beeinträchtigt.<br />

Ruskin spricht den sehr tiefen Gedanken aus: „Ein Mädchen vermag um ihre verlorene Liebe<br />

zu singen, aber ein Geizhals nicht um sein verlorenes Geld.“ Hamsun hat sich sozusagen zum<br />

Ziel gesetzt zu zeigen, daß es nicht so sei. Er hat den Versuch gemacht, etwas zu idealisieren,<br />

was sich noch weniger idealisieren läßt als die Empfindungen des Geizhalses, der sein Geld<br />

verloren hat. Kein Wunder, daß an Stelle eines Dramas eine weinerliche Komödie besonderer<br />

Art herauskam, die den Eindruck eines kolossalen literarischen Fehlgriffs macht.<br />

Ich will nicht sagen, daß ein Charakter wie der Karenos ganz undenkbar ist. Ich kann mir sehr<br />

gut vorstellen, daß sich, unter geeigneten Umständen, Nietzsche genauso verhalten hätte wie<br />

Ivar Kareno. Aber Nietzsche war ein Ausnahmefall, und zwar – das ist wohl zu bedenken –<br />

ein pathologischer Ausnahmefall. Seelisch erkrankte Menschen kommen hier nicht in Frage,<br />

und was geistig normale Menschen betrifft, so zeigen sie große Selbstlosigkeit nur unter dem<br />

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