18.09.2015 Views

erschien nennen menschenähnlichen

Zur PDF-Datei... - Max Stirner Archiv Leipzig

Zur PDF-Datei... - Max Stirner Archiv Leipzig

SHOW MORE
SHOW LESS
  • No tags were found...

You also want an ePaper? Increase the reach of your titles

YUMPU automatically turns print PDFs into web optimized ePapers that Google loves.

OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 23.07.2013<br />

den dummen? Wir sind, denk’ ich, uns wohl darin einig, daß die Dummen in geradezu überwältigender<br />

Majorität rings auf der weiten Erde vorhanden sind.“<br />

Diese Worte von ihm haben bekanntlich den Anarchisten sehr gefallen, die darin eine Rechtfertigung<br />

der aufrührerischen Tätigkeit der „selbstbewußten revolutionären Minderheit“ erblickten.<br />

Aber die Anarchisten haben sich geirrt. Diese Worte des Doktors Stockmann waren<br />

eine Rechtfertigung für etwas ganz anderes. Sehen Sie doch, welche praktische Schlußfolgerung<br />

er selbst daraus zieht: „Aber zum Teufel noch mal, es kann doch nie und nimmer in<br />

Ordnung sein, daß die Dummen über die Klugen herrschen! (Lärm und Geschrei.) Jawohl, ja;<br />

Ihr könnt mich wohl niederschreien, aber Ihr könnt mich nicht widerlegen. Die Mehrheit hat<br />

die Macht – leider Gottes –; aber das Recht hat sie nicht. Das Recht habe ich und noch ein<br />

paar andere. Die Minorität hat immer das Recht.“ 1<br />

Werden die Anarchisten damit einverstanden sein, daß die Mehrheit die Macht hat, „aber<br />

nicht das Recht“? Ich glaube nicht. Weiter. Werden [937] die Anarchisten damit einverstanden<br />

sein, daß die Minorität „immer“ das Recht hat? Ich glaube, daß sie nicht damit einverstanden<br />

sein werden. Sonst müßten sie zugeben, daß die Kapitalisten bei ihren Konflikten mit<br />

den Arbeitern „immer“ das Recht haben. Aber wenn die Anarchisten damit nicht einverstanden<br />

sind – wenigstens dürften sie damit nicht einverstanden sein, falls sie folgerichtig denken<br />

wollen –‚ so werden und müssen damit erstens alle diejenigen einverstanden sein, die zur<br />

privilegierten Minorität gehören, und zweitens alle diejenigen, welche versuchen, mit Hilfe<br />

der Theorie das Vorhandensein einer solchen Minorität zu rechtfertigen. Schließlich wissen<br />

wir bereits, daß Ivar Kareno damit völlig einverstanden ist, der von der „Ausrottung“ der Arbeiter<br />

träumt. Aber hier erhebt sich die Frage: Weshalb ist er damit einverstanden?<br />

Daß Menschen, die zur privilegierten Minderheit gehören, gern für alle die begeistert sind,<br />

die ihre privilegierte Stellung rechtfertigen, das ist ohne weitere Erklärungen verständlich.<br />

Aber Ivar Kareno gehört nicht zur privilegierten Minderheit. Nicht nur, daß er nicht reich ist;<br />

er ist ein armer Teufel, der tief in Schulden steckt. Das Stück „An des Reiches Pforten“<br />

schließt mit einer Szene, in der Kareno den Stadtvogt empfängt, der <strong>erschien</strong>en ist, um seine<br />

Habe zu pfänden. Und er ist nicht deshalb ruiniert, weil er sich in irgendeine Geldspekulation<br />

eingelassen hat, sondern deshalb, weil er ganz und gar von der Abhandlung, die er schrieb, in<br />

Anspruch genommen war und daher keine praktische Möglichkeit hatte, für seine Lebensbedürfnisse<br />

aufzukommen. Er geht nicht auf Gelderwerb aus, sondern er ist ein Mann, der ganz<br />

uneigennützig seiner Idee lebt. Weshalb ist er nun so sehr einer Idee zugetan, die der Arbeiterklasse<br />

feindlich ist? Er ist kein Kapitalist, sondern, wie man sich bei uns einmal gern ausgedrückt<br />

hat, ein Proletarier der geistigen Arbeit. Weshalb nun arbeitet der Geist dieses Proletariers<br />

in einer Richtung, die den Interessen der Proletarier der physischen Arbeit entgegengesetzt<br />

ist? Es lohnt sich sehr, darüber nachzudenken.<br />

Wir kennen das frühere Leben Ivar Karenos nicht. In dem Stück „An des Reiches Pforten“<br />

findet sich keine einzige diesbezügliche Andeutung. Wir erfahren daraus nur, daß in den<br />

Adern Karenos „das Blut eines kleinen, trotzigen Volkes rinnt“‚ da sein Vorfahr Finne gewesen<br />

ist. Aber das ist natürlich zuwenig. Es handelt sich nicht um die Rasse, sondern um die<br />

Bedingungen des gesellschaftlichen und privaten Lebens, die unseren Helden zu seinem<br />

Menschenhaß geführt haben. Diese Bedingungen sind uns unbekannt. Kareno tritt vor uns auf<br />

als ein Mensch, in welchem der Menschenhaß zur vollen Ausbildung gelangt ist. Aber da ist<br />

eine lebende Person, der polnische Dichter Jan Kasprowicz, der, nebenbei bemerkt, selbst aus<br />

dem Volke stammt. Kasprowicz verachtet ebenso wie Ivar [938] Kareno die große Masse,<br />

und er sagt ihr zum Beispiel folgende Liebenswürdigkeiten:<br />

1 Henrik Ibsen, „Ein Volksfeind“, Sämtliche Werke, Bd. IV, S. 264. [Zit. Werk, Siebenter Band, S. 177/178.]<br />

6

Hooray! Your file is uploaded and ready to be published.

Saved successfully!

Ooh no, something went wrong!