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erschien nennen menschenähnlichen

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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 23.07.2013<br />

machen muß. 1 Allerdings macht er, während er dies „aus der Naturwissenschaft“ beweist,<br />

einige sehr mißglückte Exkursionen in das Gebiet der gesellschaftlichen Verhältnisse. 2 Aber<br />

es bleibt bei diesen mißglückten Exkursionen. Nicht durch diese wird das praktische Programm<br />

des Doktors Stockmann bestimmt. Und von einem solchen Programm ist bei ihm<br />

auch gar nichts zu sehen. Aber sein Geisteskind, Ivar Kareno, spricht vom Kampf gegen<br />

[934] die Mehrheit nicht mehr, weil er die Sache nicht richtig versteht, sondern kraft wohldurchdachter<br />

Überzeugung. Und er hat ein bestimmtes praktisches Programm. Nicht nur, daß<br />

er „nicht an den Liberalismus glaubt“ und ihn nicht schont; er glaubt auch nicht an Wahlen,<br />

er glaubt nicht an Volksvertretung und will davon nichts wissen. Er „glaubt“ an den Despotismus,<br />

er will die Wiederkunft des großen Terroristen, der ihm als Quintessenz des Menschen<br />

erscheint. Sehen Sie, welche „Freiheit“ unser Held will? Die Freiheit des Despoten.<br />

Nachdem er die Mauer gesprengt und den Kopf durchgesteckt hat, hat er die bevorstehende<br />

Wiederkunft des „großen Terroristen“ gesehen, der die Mehrheit seinem eisernen Willen unterwirft.<br />

Und um seine Wiederkunft zu erleichtern, hält er die entsprechende Moralpredigt. Er<br />

predigt „Haß“, „Rache“ und „Stolz“ – nicht den Stolz, der nicht zuläßt, daß ein Mensch Sklave<br />

sei, sondern den Stolz, der in dem Bestreben zum Ausdruck kommt, Sklaven zu haben<br />

oder wenigstens dazu beizutragen, daß an solchen bei dem „großen Terroristen“ und „Despoten“<br />

kein Mangel ist. Es ist daher nicht verwunderlich daß der gute Kareno die Idee des Friedens<br />

als eine „Lehre“ bezeichnet, „würdig des Kalbsgehirns, das sie ausgebrütet hat“. Es gilt<br />

nicht, „soundso viele Leben zu bewahren!“ „Es gilt nur, den Menschen in uns aufrechten<br />

Ganges zu erhalten“, das heißt offenbar, die Menschen sollen sich willig hinschlachten lassen,<br />

wenn der „große Terrorist“ und „Despot“ es für nötig findet, einen Aderlaß vorzunehmen.<br />

All das erscheint hinlänglich bestimmt. Indes, das Unbestimmte fehlt nicht gänzlich in<br />

dieser Tirade. In ihren ersten Zeilen wird, wie wir gesehen haben, die Majorität als Mittelmäßigkeit<br />

bezeichnet, und dieser Ausdruck verleiht der Rede Ivar Karenos den Beigeschmack<br />

jenes gegenstandslosen Idealismus, von dem die Reden seines geistigen Urhebers, des Doktors<br />

Stockmann, von Anfang bis zu Ende durchdrungen sind. An den anderen Stellen verschwindet<br />

dieser Beigeschmack völlig. In dem Artikel, der Veranlassung gibt zu seinem interessanten<br />

Gespräch mit Professor Gylling, verurteilt er die „moderne Arbeiterfreundlichkeit“<br />

als etwas Dummes und schreibt: „Die Arbeiter sind nicht bloß als Triebkraft außer<br />

Brauch gekommen, sondern auch ihre Stellung als unentbehrliche Menschenkaste ist aufgehoben...<br />

Als sie Sklaven waren, hatten sie ihre Funktion; sie arbeiteten. Nun arbeiten an ihrer<br />

Stelle Maschinen mit Dampf, Elektrizität, Wasser und Wind, und die Arbeiter werden dadurch<br />

immer mehr ein überflüssiger Stand auf Erden. Aus dem Sklaven ist ein Arbeiter geworden,<br />

aus dem Arbeiter ein Para-[935]sit, der von nun an ohne Mission im Weltleben ist.<br />

Und diese Leute, die sogar ihre Position als notwendige Menschen verloren haben, bestrebt<br />

1 Dr. Stockmann: „Ja, ja, ihr möget mir glauben oder nicht, aber die Wahrheiten sind nicht so zählebige Methusalems,<br />

wie die Menschen sich einbilden. Eine normal gebaute Wahrheit lebt – nun sagen wir: in der Regel<br />

fünfzehn, sechzehn, höchstens zwanzig Jahre; selten länger. Aber solche bejahrte Wahrheiten sind stets entsetzlich<br />

dürr und mager. Und dennoch macht sich erst dann die Mehrheit mit ihnen zu schaffen und empfiehlt sie<br />

der Menschheit als gesunde geistige Nahrung. Aber ich kann euch versichern: es ist nicht viel Nahrungsstoff in<br />

einer solchen Kost, und darauf muß ich mich als Arzt verstehen. Alle diese Majoritätswahrheiten gleichen dem<br />

überjährigen ranzigen Speck; sie sind wie verdorbner, grün angelaufener Schinken; und daher kommt all der<br />

moralische Skorbut, der rings um uns her in der Gesellschaft grassiert.“ [Henrik Ibsens gesammelte Werke,<br />

Philipp Reclam jun., Leipzig, Zweiter Band, S. 77.]<br />

2 „Denkt euch nun zunächst einen simpeln Bauernhund – ich meine: so einen widerwärtigen, zottigen, pöbelhaften<br />

Köter, der da alle Welt auf der Gasse belästigt. Und dann stellt den Köter neben einen Pudel, der durch mehrere<br />

Generationen hindurch aus einem vornehmen Hause stammt, wo er feine Kost erhalten und Gelegenheit<br />

[934] gehabt, harmonische Stimmen und Musik zu hören. Meint ihr, das Gehirn des Pudels habe sich nicht ganz<br />

anders entwickelt als das des Köters? Ja, darauf könnt ihr euch fest verlassen.“ [Ebenda, S. 79.] Das ist eines<br />

von den krassen Beispielen für den Unsinn, den der Dr. Stockmann „mit seiner Naturwissenschaft“ verzapft.<br />

4

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