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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 23.07.2013<br />

anders wie mit der größten Hochachtung den Mann beurteilen können, der folgende Worte<br />

schrieb: „Daß es in anderen Ländern besser bestellt ist als bei uns zu Hause, glaube ich nicht;<br />

die Menge steht ohne jegliche Verständnis für das Höhere da – im Ausland und in der Heimat.“<br />

1 Nach mehr als zehn Jahren schrieb Ibsen in einem Briefe an Brandes: „Unter keinen<br />

Umständen möchte ich mich je einer Partei anschließen, die die Majorität auf ihrer Seite hat.<br />

Björnson sagt: Die Majorität hat immer recht... Ich dagegen muß notwendigerweise sagen:<br />

die Minorität hat immer recht.“ 2 Auch diese Worte können nur den Beifall der „individualistisch“<br />

gestimmten Ideologen der heutigen Bourgeoisie finden. Und da die Stimmung, die in<br />

diesen Worten zum Ausdruck gelangte, allen dramatischen Werken Ibsens zugrunde lag, so<br />

ist es nicht verwunderlich, daß seine Werke die Aufmerksamkeit aller Ideologen von diesem<br />

Schlage auf sich lenkten und daß die letzteren sich für sie sehr „empfänglich“ erwiesen.<br />

Gewiß, die alten Römer meinten nicht umsonst: Wenn zwei dasselbe sagen, so ist es doch<br />

nicht dasselbe. Ibsen verknüpfte mit dem Worte „Minorität“ einen ganz anderen Begriff als<br />

die bürgerlichen Leser der vorgeschrittenen kapitalistischen Länder. Ibsen fügte erläuternd<br />

hinzu: „... Ich meine die Minorität, die da vorangeht, wo die Mehrheit noch nicht hingelangt<br />

ist. Ich meine, das Recht hat der, der am innigsten mit der Zukunft im Bunde ist.“ 3<br />

Die Bestrebungen und Ansichten Ibsens entwickelten sich, wie wir gesehen, in einem Lande,<br />

das kein revolutionäres Proletariat besaß und wo die zurückgebliebene Volksmasse kleinbürgerlich<br />

bis auf die Knochen war. Diese Masse konnte in der Tat nicht die Trägerin eines vorgeschrittenen<br />

Ideals werden. Darum mußte jeder Schritt vorwärts in den Augen Ibsens notwendigerweise<br />

als Bewegung der „Minorität“, das heißt des kleinen Häufleins denkender Individuen,<br />

erscheinen. Ganz anders war es in Ländern der entwickelten kapitalistischen Produktion. Dort<br />

mußte jede Vorwärtsbewegung offenbar eine Bewegung der ausgebeuteten Majorität sein –<br />

oder sie mußte, richtiger, suchen, es zu sein. Bei Leuten, die in denselben gesellschaftlichen<br />

Beziehungen wie Ibsen aufwachsen, trägt der „Minoritätsglaube“ einen vollkommen unschuldigen<br />

Charakter. Noch mehr: er dient als Ausdruck der progressiven Bestrebungen der kleinen<br />

intelligenten Oase, die umringt ist von der unfruchtbaren Wüste des Phi-[925]listertums. Dagegen<br />

ist dieser Glaube in den „denkenden Kreisen“ der vorgeschrittenen kapitalistischen Länder<br />

ein Zeichen des konservativen Widerstandes gegenüber den revolutionären Anforderungen der<br />

Arbeitermasse. Wenn zwei dasselbe sagen so ist es doch nicht dasselbe. Wenn aber jemand den<br />

„Minoritätsglauben“ predigt, so kann und muß seine Predigt bei demjenigen Anklang finden,<br />

der, wenn auch aus ganz anderen psychologischen Beweggründen, diesen Glauben teilt. Die<br />

scharfen, tief empfundenen Angriffe Ibsens gegen die „Majorität“ wurden von unzähligen Personen<br />

mit Beifall begrüßt, die sich diese Majorität vor allem in Gestalt des um seine Emanzipation<br />

ringenden Proletariats vorstellten. Ibsen griff jene „Majorität“ an, der jegliche progressive<br />

Bestrebung fremd war, während ihm diejenigen Beifall zollten, die Furcht hatten vor den progressiven<br />

Bestrebungen der „Majorität“.<br />

Gehen wir weiter. Brandes fährt fort: „Prüft man aber diesen (das heißt den Ibsenschen. G.<br />

Pl.) Individualismus genau nach, so wird man in ihm einen verborgenen Sozialismus entdekken,<br />

der schon in den ‚Stützen der Gesellschaft‘ zu verspüren ist und der in Ibsens begeisterter<br />

Erwiderung an die Arbeiter in Drontheim während seines letzten Besuchs im Norden zum<br />

Ausbruch kam..“ 4,5*<br />

1 [Ebenda.]<br />

2 [Brief vom 3. Januar 1882; ebenda, S. 306.]<br />

3 [Ebenda, S. 306.]<br />

4 [Brandes’ Werke, Bd. I, S. 42.]<br />

5* Es handelt sich um das Auftreten Ibsens am 14. Juni 1885. Näheres hierüber siehe im gleichen Aufsatz<br />

Plechanows, Kapitel VII.<br />

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