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erschien nennen menschenähnlichen

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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 23.07.2013<br />

doch nicht, die Grenzen des Kinderzimmers zu überschreiten. Die emanzipierte Frau begnügt<br />

sich mit der Rolle der Mutter, wie sich die Frau, die niemals an Freiheit gedacht, mit ihr begnügt<br />

hat. Das ist auch nicht wesentlich. Wichtig ist bloß das Unvergängliche, Ewige und<br />

nicht das Zeitweilige. Wichtig ist die Bewegung und nicht ihre Folgen. Die „Empörung des<br />

Menschengeistes“ läßt alles auf demselben Flecke. Der kreißende Berg hat wieder ein winziges<br />

Mäuslein geboren, alles infolge jenes methodologischen Fehlers, auf dessen soziologische<br />

Erklärung ich schon hingewiesen habe.<br />

Und die Liebe selbst – die Liebe zwischen Mann und Weib? Schon Fourier hat mit größtem satirischen<br />

Talent darauf hingewiesen, daß die bürgerliche Gesellschaft – die Zivilisation, wie er sich<br />

ausdrückte – die [914] Liebe erbarmungslos in den Schmutz materieller Berechnungen hinabzerre.<br />

Ibsen wußte das ebensogut wie Fourier. Seine „Komödie der Liebe“ ist eine ausgezeichnete<br />

Satire, die die bürgerliche Ehe und die bürgerlichen Ehetugenden äußerst boshaft verspottet. Und<br />

was ist der Ausgang dieses hervorragenden Stückes, eines der besten, die Ibsen schrieb? Schwanhild,<br />

die den Dichter Falk liebt, heiratet den Großkaufmann Goldstadt, weil ihr ihre Liebe zu Falk<br />

zu erhaben scheint. Zwischen Schwanhild und Falk entspinnt sich folgendes unglaublich klingendes<br />

Zwiegespräch, das jedoch für Ibsens Weltanschauung äußerst charakteristisch ist:<br />

Falk: „...<br />

Muß<br />

Es denn grad’ jetzt sein, an den offnen Toren<br />

Der Welt – grad’ heut sein, wo der Sonnenkuß<br />

Des Frühlings eben unsren Bund geboren!<br />

Schwanhild: Grad’ heut. Entscheiden wir’s nicht heut, ja dann –<br />

Dann geht’s nur noch bergab, nicht mehr bergan.<br />

Und wehe, werden wir einst auferstehn,<br />

Und werden uns vor unserm Richter sehn,<br />

Und wird er, als gerechter Gott, den Hort,<br />

Den er uns anvertraut, zurückbegehren –<br />

Und wir, wir müssen mit dem düstren Wort<br />

„Verloren!“ selber jeder Gnade wehren.<br />

Falk (fest und entschlossen): So wirf den Ring fort!<br />

Schwanhild (feurig): Ja?<br />

Falk:<br />

... Ja, Schwanhild, ja!<br />

Ich komme nur auf diesem Weg dir nah!<br />

Wie erst dem Tod der ewige Tag entstrebt,<br />

Empfängt auch Lieb’ erst wahren Lebens Ehren,<br />

Wenn sie, erlöst von Sehnsucht und Begehren,<br />

Zur Heimat der Erinnerung entschwebt.<br />

Ja, wirf ihn fort!<br />

Schwanhild (jubelnd): So tat ich meine Pflicht!<br />

Ich füllte dein Gemüt mit Lied und Licht!<br />

Flieg frei! Du hast dich siegreich aufgeschwungen –<br />

Und Schwanhild hat ihr Schwanenlied gesungen!<br />

(Zieht den Ring vom Finger und drückt einen Kuß darauf.)<br />

Hinab, mein Traum! Hinab, Welteitelkeit!<br />

Da nimm mein Opfer, tiefer, bittrer Bronnen.<br />

(Tut ein paar Schritte nach dem Hintergrund, wirft<br />

den Ring in den Fjord hinaus und nähert sich Falk<br />

mit verklärten Zügen.)<br />

Nun hab‘ ich dich verloren für die Zeit,<br />

Doch dich auf Ewigkeit dafür gewonnen!“ 1<br />

Hier feiert der ewige, „unerschaffne“ Geist seine vollsten Triumphe, und ebendeshalb findet die<br />

vollste Selbstentsagung, Selbstvernichtung des [915] „Neuen“, in der Zeit Gegebenen statt. Der<br />

1 [Ebenda, Dritter Band, S. 191/192.]<br />

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