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erschien nennen menschenähnlichen

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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 11.07.2013<br />

Kräften des ganzen – mehr oder weniger umfassenden –Blutsverbandes, von dem die Autoren<br />

sprachen, die auf dem Standpunkt N. I. Siebers und M. M. Kowalewskis standen. Diese<br />

Schlußfolgerung ist bei unserer Untersuchung der Kunst von allergrößtem Nutzen. Wir müssen<br />

sie fest im Gedächtnis behalten.<br />

Doch nun wollen wir weitergehen. Die Lebensweise der Menschen bestimmt ganz natürlicher-<br />

und unvermeidlicherweise die ganze Art ihres Charakters. Herrschte bei den Wilden die<br />

„individuelle Nahrungssuche“, dann hätten sie natürlich ausgemachte Individualisten und<br />

Egoisten werden müssen – gewissermaßen die Verkörperung des bekannten Ideals von Max<br />

Stirner. Und dafür hält sie Bücher auch. „Dasselbe also, was das Tier treibt, die Erhaltung des<br />

Daseins, ist auch der maßgebende instinktive Antrieb des Naturmenschen. Dieser Trieb beschränkt<br />

sich räumlich auf das einzelne Individuum, zeitlich auf den Augenblick der Bedürfnisempfindung.<br />

Mit anderen Worten: der Wilde denkt nur an sich, und er denkt nur an die<br />

Gegenwart.“ 1<br />

Ich werde Sie auch hier nicht fragen, ob Ihnen dieses Bild gefällt, [89] sondern ich werde<br />

fragen, ob ihm nicht die Tatsachen widersprechen. Meiner Ansicht nach widersprechen sie<br />

ihm durchaus.<br />

Erstens wissen wir bereits, daß das Anlegen von Vorräten sogar den niedersten Jägerstämmen<br />

bekannt ist. Das beweist, daß die Sorge um die Zukunft auch ihnen nicht ganz fremd ist. Aber<br />

selbst wenn sie keine Vorräte anlegten, würde das keineswegs den Schluß zulassen, daß sie<br />

nur an die Gegenwart denken. Weshalb bewahrt der Wilde seine Waffe auch nach Beendigung<br />

einer erfolgreichen Jagd auf? Weil er an künftige Jagden und an künftige Zusammenstöße<br />

mit dem Feinde denkt. Und die Säcke, die die Frauen wilder Stämme während der beständigen<br />

Wanderungen von Ort zu Ort auf ihrem Rücken tragen! Eine auch nur ganz oberflächliche<br />

Bekanntschaft mit dem Inhalt dieser Säcke genügt, und man bildet sich eine ziemlich<br />

hohe Meinung von der wirtschaftlichen Voraussicht eines Wilden. Was da alles drin ist!<br />

Man findet glatte Steine zum Abschaben der eßbaren Wurzeln, Quarzstücke zum Schneiden,<br />

Spitzen für den Speer, Ersatzbeile aus Stein, Schnüre, die aus den Sehnen des Känguruhs<br />

hergestellt sind, Wolle vom Opossum und verschiedenfarbigen Ton, Baumrinde und Speckstücke<br />

und unterwegs gesammelte Früchte und Wurzeln. 2 Das ist eine ganze Wirtschaft!<br />

Dächte der Wilde nicht an den morgigen Tag, warum sollte er dann seine Frau alle diese Sachen<br />

herumschleppen lassen? Freilich, vom europäischen Standpunkt aus stellt sich die Wirtschaft<br />

der australischen Frau als etwas Klägliches dar. Aber alles ist relativ, wie in der Geschichte<br />

im allgemeinen so in der Wirtschaftsgeschichte im besonderen.<br />

Übrigens interessiert mich hier mehr die psychologische Seite der Frage.<br />

Da die individuelle Nahrungssuche in der primitiven Gesellschaft bei weitem nicht vorherrscht,<br />

ist es auch kein Wunder, daß der Wilde durchaus kein solcher Individualist und<br />

Egoist ist, wie Bücher ihn darstellt. Das ersieht man sehr schön aus den unzweideutigsten<br />

Zeugnissen zuverlässigster Beobachter. Hier einige markante Beispiele.<br />

„Es herrscht... bei ihnen, was Nahrungsmittel betrifft“, sagt Ehrenreich über die Botokuden,<br />

„strengster Kommunismus. Die Beute wird an alle Angehörigen der Horde verteilt, ebenso<br />

Geschenke, die man ihnen macht, auch wenn sich jeder dann mit einem noch so unbedeutenden<br />

Anteil begnügen müßte.“ 3 Dasselbe sehen wir bei den Eskimos, bei denen nach den Worten<br />

Klutschaks die Nahrungsmittelvorräte und die übrige bewegliche Habe gewissermaßen<br />

1 [Karl Bücher,] „Vier Skizzen“, S. 79. [Zit. Werk, S. 14.]<br />

2 Vgl. Ratzel, „Völkerkunde“, [Zweite Auflage, Leipzig und Wien 1894,] Erster Band, S. 320/321.<br />

3 [Ehrenreich,] „Über die Botocudos der brasilianischen Provinzen Espiritu Santo und Minas Geraes“; „Zeitschrift<br />

für Ethnologie“, Band XIX, S. 31.<br />

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