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erschien nennen menschenähnlichen

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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 23.07.2013<br />

[897] Die gesellschaftliche Umwelt macht sie zu Individualisten, und einmal zu solchen geworden,<br />

machen sie aus der Not eine Tugend und erheben den Individualismus zum Prinzip,<br />

von der Annahme ausgehend, daß das, was eigentlich ein Resultat ihrer Isoliertheit in der<br />

kleinbürgerlichen Gesellschaft darstellt, ein Zeichen ihrer persönlichen Stärke ist.<br />

Als Kämpfer gegen die kleinbürgerliche Halbheit und Mittelmäßigkeit hervortretend, erscheinen<br />

sie selbst nicht selten als gebrochene, innerlich zerrissene Persönlichkeiten. Dagegen<br />

finden sich aber auch unter ihnen wahrhaft herrliche Gestalten aus dem Geschlecht der<br />

konsequenten Menschen. Zu solchen gehörte vermutlich der bei Lothar erwähnte Pastor<br />

Lammers, wohl auch Sören Kierkegaard und ganz gewiß Ibsen selbst. Vollständig ging dieser<br />

in seinem literarischen Beruf auf. Wahrhaft rührend ist es, was er über Freundschaft an Brandes<br />

schreibt: „Freunde sind ein kostbarer Luxus, und wenn man sein Kapital auf eine Berufung<br />

und eine Mission hier im Leben setzt, so hat man nicht die Mittel, Freunde zu halten.<br />

Wenn man Freunde hält, so liegt das Kostspielige ja nicht darin, was man für sie tut, sondern<br />

was man aus Rücksicht auf sie zu tun unterläßt.“ 1 Auf diesem Wege kann man zwar ähnlich<br />

wie Goethe zu krassem Egoismus gelangen. Jedenfalls aber geht dieser Weg durch die vollste,<br />

vielseitigste Begeisterung für den Beruf.<br />

Eine genauso herrliche Gestalt aus dem Geschlecht der ganzen Menschen ist der geistige<br />

Sohn Ibsens – Brand. Wenn er gegen die kleinbürgerliche Vorsicht, gegen die philisterhafte<br />

Trennung von Wort und Tat donnert, ist er prachtvoll. Der Kleinbürger schafft sich sogar<br />

seinen Gott nach seinem eigenen Ebenbild, mit Pantoffeln und Schlafmütze.<br />

Brand spricht zu Einar:<br />

[898]<br />

„Nicht zum Spott,<br />

Ich zeichne nur nach der Natur<br />

Des Lands, des Volks Familiengott.<br />

Der Katholik stellt den Erlöser<br />

Oft als ein kleines Kind sich vor.<br />

Ihr lacht und macht es noch viel böser:<br />

Nach euch ist Gott ein greiser Tor;<br />

Ein wenig fehlt zum Kinde nur.<br />

Und wie der Papst hat als Symbol<br />

Der Herrschaft seine Doppelschlüssel,<br />

So schaut ihr zwischen Pol und Pol<br />

Die Welt in eurer Täuflingsschüssel.<br />

Ihr trennt vom Leben Glaub’ und Lehre,<br />

Als ob der Wandel gar nichts wäre.<br />

Ihr möchtet euren Geist erheben,<br />

Und wagt nicht voll und ganz zu leben.<br />

Braucht einen Gott, der schwankend gehe,<br />

Und der euch durch die Finger sehe.<br />

Weil euer ganzes Leben Fratze,<br />

Hat euer Gott Kalott’ und Glatze! –<br />

Mein Gott ist nicht so matt gesinnt.<br />

Der mein’ ist Sturm der deine Wind;<br />

Unbeugsam meiner – deiner dumpf,<br />

Alliebend meiner – deiner stumpf.<br />

Der meine jung und stark, ein Rächer,<br />

Kein schwacher Alter, feiger Schächer.<br />

Sein Ruf ist wie ein Sturmgetön,<br />

Das aus dem Feuerbusch erscholl<br />

Zu Moses auf des Horebs Höhn,<br />

1 [Henrik Ibsens sämtliche Werke, Berlin, S. Fischer, Zehnter Band, S. 134 (Brief vom 6. März 1870).]<br />

16

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