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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 23.07.2013<br />

Ein wenig treu der Väter Brauch,<br />

Ein wenig lüstern nach Gelagen,<br />

Weil das die teuren Väter auch.<br />

Ein wenig warm, wenn im Vereine<br />

Der Ruhm erklinget für das kleine,<br />

Doch felsenfeste Klippenvolk,<br />

Das niemals Stock und Streiche duldet.<br />

Ein wenig leichthin beim Versprechen,<br />

Ein wenig sinnreich dann zu brechen<br />

Das Wort und was man sonst verschuldet.<br />

Doch alles eine Kleinigkeit,<br />

Vorzüg’ und Fehler gehn nicht weit;<br />

Ein Bruchteil nur in Großem, Kleinem,<br />

In Bös’ und Gutem, schlimmst in Einem:<br />

Dies etwas Gute, etwas Schlechte<br />

Schlägt endlich völlig tot das Rechte.“ 1<br />

[896] Einige Kritiker 2 behaupten, Ibsen habe seinen Brand unter dem Einfluß eines Pastor<br />

Lammers und insbesondere unter dem Einfluß des bekannten dänischen Schriftstellers Sören<br />

Kierkegaard geschrieben. Das ist durchaus möglich, doch vermindert dies natürlich nicht im<br />

geringsten die Richtigkeit dessen, was ich hier behaupte. Pastor Lammers und Sören Kierkegaard<br />

hatten es, jeder in seiner Sphäre, mit derselben Umgebung zu tun, mit der Ibsen zu<br />

kämpfen hatte. Es ist deshalb nichts Erstaunliches dabei, daß ihr Protest gegen diese Umgebung<br />

dem seinigen zum Teil ähnlich sah.<br />

Die Werke Sören Kierkegaards kenne ich nicht. Doch soweit ich seine Ansichten auf Grund<br />

dessen zu beurteilen vermag, was von ihnen bei Lothar angeführt ist, kann der Grundsatz<br />

„Sei, was du bist“ sehr wohl von Sören Kierkegaard entlehnt worden sein. Lothar charakterisiert<br />

Kierkegaards Ansichten wie folgt: „Die Aufgabe des Menschen ist es, ein einzelner zu<br />

sein, sich selbst in sich selbst zu konzentrieren. Der Mensch muß werden, was er ist; seine<br />

einzige Aufgabe ist es, sich selbst zu wählen in ‚gottgewollter Wahl‘, wie es die einzige Aufgabe<br />

des Lebens ist, sich selbst zu entwickeln. Die Wahrheit ist nicht, die Wahrheit zu wissen,<br />

sondern die Wahrheit zu sein. Subjektivität ist das Höchste“ usw. 3 Dies alles sieht in der<br />

Tat dem ähnlich, was Ibsen gepredigt hat, und beweist nur noch einmal, daß dieselben Ursachen<br />

die gleichen Wirkungen hervorrufen. 4<br />

Personen, deren „Geist“ zur „Empörung“ hinneigt, können in einer kleinbürgerlichen Gesellschaft<br />

nichts anderes als seltene Ausnahmen von der allgemeinen Regel darstellen. Solche Personen<br />

<strong>nennen</strong> sich oft voll Stolz Aristokraten und sehen auch in der Tat in zweierlei Beziehungen<br />

Aristokraten ähnlich: einmal stehen sie geistig höher als die anderen, genauso wie wirkliche<br />

Aristokraten ihrer privilegierten gesellschaftlichen Stellung nach höher als die anderen stehen;<br />

und andererseits stehen sie ebenso wie wirkliche Aristokraten vollkommen einsam da, weil ihre<br />

Interessen die Interessen der Majorität nicht sein können, ja oft mit diesen feindlich zusammenstoßen.<br />

Der Unterschied ist hier bloß der, daß die wirkliche historische Aristokratie während<br />

ihrer Blütezeit die ganze Gesellschaft ihrer Zeit beherrscht hat, während die geistigen Aristokraten,<br />

die der kleinbürgerlichen Gesellschaft entsprossen sind, fast gar keinen Einfluß auf diese<br />

ausüben. Diese „Aristokraten“ bilden keine gesellschaftliche Macht: sie bleiben stets vereinzelte<br />

Persönlichkeiten. Sie ergeben sich daher um so eifriger dem Kultus der Persönlichkeit.<br />

1 [Henrik Ibsens gesammelte Werke, Philipp Reclam jun., Leipzig, Zweiter Band, „Brand“, S. 16/17.]<br />

2 Rudolph Lothar, „Ibsen“, S. 61-63.<br />

3 Ebenda, S. 63.<br />

4 [Übrigens sagt Ibsen in einem Briefe an P. Hansen: „Ich habe Kierkegaard wenig gelesen und noch weniger<br />

verstanden.“ Lettres de Henrik Ibsen à ses amis. Paris 1906. S. 109.]<br />

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