18.09.2015 Views

erschien nennen menschenähnlichen

Zur PDF-Datei... - Max Stirner Archiv Leipzig

Zur PDF-Datei... - Max Stirner Archiv Leipzig

SHOW MORE
SHOW LESS
  • No tags were found...

Create successful ePaper yourself

Turn your PDF publications into a flip-book with our unique Google optimized e-Paper software.

OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 11.07.2013<br />

die einen Raubüberfall unternimmt“ 1 . Auch hier sehe ich wiederum keine Spur einer „individuellen<br />

Nahrungssuche“.<br />

Auf derselben Entwicklungsstufe stehen die Pygmäen in Zentralafrika, die erst verhältnismäßig<br />

spät Gegenstand irgendwelcher glaubwürdiger Beobachtungen geworden sind. Das ganze<br />

sie betreffende „empirische Material“, das die neuesten Forscher zusammengetragen haben,<br />

widerlegt die Theorie der „individuellen Nahrungssuche“ ganz entschieden. Die Pygmäen<br />

jagen wilde Tiere gemeinschaftlich und plündern die Felder der ihnen benachbarten Bauern<br />

gemeinsam. „Die Männer nehmen bewaffnet vorgeschobene Positionen und kämpfen im Notfall<br />

mit den Eigentümern der Felder, indessen die Frauen die Lebensmittel sammeln, sie mit<br />

Kräutern oder großen Blättern zusammenbinden und sich rasch auf den Heimweg machen.“ 2<br />

Hier haben wir keinen Individualismus, sondern Kooperation und sogar Arbeitsteilung.<br />

[86] Ich will mich weder mit den brasilianischen Botokuden noch mit den Eingeborenen Australiens<br />

eingehender befassen, weil ich wiederholen müßte, was bereits über viele andere<br />

niedere Jäger gesagt wurde, wenn ich von ihnen spreche. 3 Es wird nützlicher sein, einen<br />

Blick auf jene primitiven Völker zu werfen, die bereits einen höheren Grad der Entwicklung<br />

der Produktivkräfte erreicht haben. Solche Völker gibt es in Amerika viele.<br />

Die Rothäute Nordamerikas leben in Sippen, und der Ausschluß aus der Sippe ist bei ihnen<br />

eine furchtbare Strafe, die nur für allerschwerste Verbrechen verhängt wird. 4 Das allein zeigt<br />

schon deutlich, wie fern sie dem Individualismus stehen, der nach der Ansicht Büchers das<br />

kennzeichnende Merkmal der primitiven Stämme ist. Die Sippe ist dort der Besitzer des Landes,<br />

ist der Gesetzgeber und Rächer für verletzte Rechte des Individuums und in vielen Fällen<br />

auch sein Erbe. Alle Kraft, alle Lebensfähigkeit der Sippe hängt von der Zahl ihrer Mitglieder<br />

ab, und deshalb ist der Verlust jedes Mitgliedes ein schwerer Verlust für alle übrigen. Die<br />

Sippe ist bestrebt, solche Verluste durch Aufnahme neuer Mitglieder wettzumachen. Die Adoption<br />

ist bei den Rothäuten Nordamerikas sehr verbreitet 5 , sie ist ein wichtiger Hinweis auf<br />

die große Bedeutung, die der Kampf ums Dasein mit gemeinsamen Kräften der Gruppe für<br />

sie hat, während Bücher, irregeführt durch seine vorgefaßte Meinung, in ihr nur einen Beweis<br />

der schwachen Entwicklung elterlicher Gefühle unter den primitiven Völkern sieht. 6<br />

1 Earle, op. cit., p. 134.<br />

2 Gaëtano Casati, „Dix années en Equatoria“, Paris 1892, p. 116. [Casati, „Zehn Jahre in Äquatoria und die<br />

Rückkehr mit Emin Pascha“, Erster Band, Bamberg 1891, S. 152.]<br />

3 Über die Australier will ich eines bemerken: Während ihre gesellschaftlichen Beziehungen vom Standpunkt<br />

Büchers aus kaum als gesellschaftlicher Verband bezeichnet werden können, sagen unvoreingenommene Forscher<br />

etwas ganz anderes; zum Beispiel: „An Australian tribe is an organized society, governed by strict customary<br />

laws, which are administered by the headmen or rulers of the various sections of the community, who<br />

exercise their authority after consultation among themselves“ [„Ein australischer Stamm ist ein von strengen<br />

Bräuchen regierter organisierter Gesellschaftsverband, welcher von den Häuptlingen oder Anführern der verschiedenen<br />

Teile des Gemeinwesens verwaltet wird, die ihre Amtsgewalt nach Rücksprache miteinander ausüben.“]<br />

etc. „The Kamilaroi Class System of the Australian Aborigines“, by R. H. Mathews in „Proceedings and<br />

Transactions of the Queensland Branch of Royal Geographical Society of Australasia“, v. X, Brisbane 1895.<br />

4 Über den Ausschluß aus der Sippe siehe bei Powell, „Wyandot Government“ in „First annual Report of the<br />

Bureau of Ethnology to the Smithsonian Institution“, pp. 67/68.<br />

5 Vgl. Lafitau, „Les mœurs des sauvages américains“, t. II, p. 163; vgl. auch Powell, 1. c., p. 68. Über die Adoption<br />

bei den Eskimos siehe Franz Boas, „The Central Eskimo“ in „Sixth annual Report of the Bureau of Ethnology“,<br />

p. 580.<br />

6 M. M. Kowalewski weist auf die schwache Entwicklung der Adoption bei den Swanen hin und bemerkt, das<br />

sei durch die Stärke ihrer Sippenordnung zu erklären („Gesetz und Sitte im Kaukasus“, Bd. II, S. 4/5). Aber bei<br />

den Indianern Nordamerikas und bei den Eskimos hindert die unzweifelhafte Stärke des Sippenverbandes nicht<br />

die weitgehende Entwicklung der Sitte der Adoption. (Über die Eskimos siehe John [87] Mordoch, „Ethnological<br />

Results of the Point Barrom Expedition“ in „Ninth annual Report of the Bureau of Ethnology“, p. 417.)<br />

32

Hooray! Your file is uploaded and ready to be published.

Saved successfully!

Ooh no, something went wrong!