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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 22.07.2013<br />

gend unterscheiden. Deshalb mußte sich bei ihm auch der Schmerz, den dieser Verlust hervorrief,<br />

unbedingt anders äußern, als bei Menschen in der Lage der Nekrassowschen alten<br />

Frau. Es ergibt sich also, daß Nekrassow wohl so unrecht nicht hatte, wie es auf den ersten<br />

Blick scheinen will. Die Hauptsache ist aber, daß er auch gar nicht den Versuch gemacht hat,<br />

das Volk schlechtzumachen. Der Schmerz über den Verlust eines geliebten Wesens hört<br />

durchaus nicht auf, ein tiefer Schmerz zu sein, weil die Vorstellung von einem solchen Verlust<br />

mit Vorstellungen verknüpft [854] ist, die sich auf die sogenannten materiellen Bedürfnisse<br />

beziehen. Die alte Frau bei Nekrassow denkt an die Hasen und an die zerfallene Hütte –<br />

nicht etwa weil ihr die Befriedigung ihrer materiellen Bedürfnisse mehr gilt als die Liebe des<br />

Sohnes, sondern weil sich die Liebe des Sohnes – die ihr auf der Welt sicherlich am teuersten<br />

war – darin offenbarte, daß er ständig um die Befriedigung der materiellen Bedürfnisse der<br />

Mutter besorgt war. Bei reichen Leuten zeigt sich die Kindesliebe in Aufmerksamkeiten anderer<br />

Art; weil die materiellen Bedürfnisse der „Herrschaften“ durch die Dienstleistungen<br />

bezahlter – und früher leibeigener – Diener befriedigt werden. Und so mögen die Gefühle<br />

„gebildeter“ Leute bei der ersten, oberflächlichen Betrachtung feiner und erhabener erscheinen.<br />

Die Kritiker, die sich über Nekrassow mißbilligend geäußert haben, beobachteten gewöhnlich<br />

die Gefühle gerade solcher „gebildeten“ Menschen, die, äußerlich betrachtet, feiner<br />

und vornehmer sind. Darum haben sie sich auch über die vollkommen unschuldigen „neuen“<br />

Hasen der armen alten Frau bei Nekrassow hergestürzt. Darum auch ihr Geschrei über das<br />

Schlechtmachen.<br />

Ich sage das alles, um die von Lewschin aufgeworfene Frage über die „Kopeke“ im richtigen<br />

Lichte erscheinen zu lassen. Die Menschen, die so oder so zu den „höheren Klassen“ der Gesellschaft<br />

gehören, sind gewohnt, diese Frage für sehr prosaisch zu halten. Und sie haben in<br />

dem Sinne recht, daß, sobald sich ein Mensch in gesicherten materiellen Verhältnissen befindet,<br />

für ihn die Frage der geringeren oder größeren Anzahl seiner Kopeken in den weitaus<br />

meisten Fällen auf die Frage hinausläuft, wie er sich eine geringere oder größere Menge materieller<br />

Genüsse verschaffen kann: „das Sofa bequem am Kamin, um den Tisch die tafelnden<br />

Freunde“ usw. Wer sich, als Angehöriger der „höheren Gesellschaftsklassen“, für Gespräche<br />

über die „Kopeke“ nicht interessiert, gilt mit Recht als ein Mensch von feineren Bestrebungen.<br />

Für Menschen jedoch, die den sogenannten niederen Klassen angehören – besonders für<br />

das Proletariat mit dem in ihm erwachenden Streben nach Wissen –‚ hat die „Kopeke“ einen<br />

ganz anderen Sinn. Man kann statistisch nachweisen, daß der Arbeitslohn einer gegebenen<br />

Arbeiterschicht, je höher er ist, in einem um so höheren Maße zur Befriedigung geistiger Bedürfnisse<br />

des Arbeiters verwandt wird. So ist der Kampf um die „Kopeke“ für den Proletarier<br />

schon an und für sich ein Kampf um die Wahrung und Entwicklung seiner menschlichen<br />

Würde. Das wollen die Menschen der „höheren Gesellschaftsklassen“ gewöhnlich nicht begreifen,<br />

und sie haben für die „rohen“ Ziele, die die Arbeiterklasse mit ihrem Befreiungskampf<br />

verfolgt, nur ein verächtliches Achselzucken übrig; aber für denkende Proletarier von<br />

der Art eines Lewschin ist es durchaus verständlich. Allein, [855] und das ist zu beachten, das<br />

Bestreben Lewschins beschränkt sich durchaus nicht auf die Vermehrung der Zahl der „Kopeken“<br />

im Einkommen des Arbeiters. Er sieht die „Kopeke“ als Symbol einer ganzen Ordnung.<br />

Sein liebevolles Herz wird angesichts des Schauspiels jenes grausamen Kampfes, der<br />

in der kapitalistischen Gesellschaft wegen der „Kopeke“ vor sich geht, von Leid zerrissen. Er<br />

ist um seiner selbst und um seiner Nächsten willen über diesen Kampf „ganz bestürzt“ und<br />

schließt sich den Sozialisten an, die genau das wollen, wonach seine ehrliche und feinfühlige<br />

Seele strebt: „die Kopeke vernichten“, d. h. die gegenwärtige ökonomische Ordnung stürzen.<br />

So gewinnt die Frage der „Kopeke“, die auf Menschen der „höheren Gesellschaftsklassen“,<br />

welche nicht ohne hohe Bestrebungen sind, so langweilig wirkt, in seinen Augen höchste<br />

gesellschaftliche Bedeutung: „die Kopeke vernichten“ bedeutet für ihn all das Böse vernichten,<br />

das die Menschen im wirtschaftlichen Kampf ums Dasein verüben. Und das ist, wie Sie<br />

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