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erschien nennen menschenähnlichen

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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 22.07.2013<br />

mit allzu rosigen Hoffnungen schmeicheln; sie müssen sich vor allzu großem Optimismus<br />

hüten. „In dieser Sache ist das Schlimmere das Beste.“ Wenn Menschen bereit sind zu kämpfen,<br />

auch wenn sie keinerlei Hoffnungen auf den nahen Sieg hegen; wenn sie sogar zu einem<br />

lange Zeit sich hinziehenden Kampfe bereit sind, wenn sogar der Gedanke, daß es ihnen vielleicht<br />

bestimmt ist, zu sterben, ohne, wenn auch nur von fern, das gelobte Land geschaut zu<br />

haben, ihre Bereitschaft nicht vernichtet, so „sind sie fest entschlossen“. „In dieser Sache ist<br />

das Schlimmere das Beste.“ Lewschin würde das natürlich gerade jetzt nicht zugeben. Und<br />

die einstige Schauspielerin Tatjana Lugowaja würde diese Erwägung für „menschewistischen“<br />

(oder in diesem Fall für sonst welchen) „Opportunismus“ erklären. Die Revolutionäre<br />

aus dem bürgerlichen Milieu lassen sich sehr gern von übertriebenen Hoffnungen irreführen.<br />

Sie brauchen diese Hoffnungen wie die Luft zum Atmen. Ihre Energie wird manchmal gerade<br />

nur durch solche Hoffnungen aufrechterhalten. Die lange, mühsame Arbeit der systematischen<br />

Einwirkung auf die Massen erscheint ihnen direkt langweilig; sie vermissen in ihr Leidenschaft<br />

und Heldentum. Und solange die proletarische Bewegung ihrem Einfluß unterworfen<br />

ist, wird sie selbst halb und halb von ihrem romantischen Optimismus angesteckt. Der<br />

romantische Optimismus weicht von ihr erst dann, wenn sie zu einer völlig selbständigen<br />

Bewegung wird. Da aber unbegründeter Optimismus – gerade wegen seiner Grundlosigkeit –<br />

periodisch in extreme Hoffnungslosigkeit umschlägt, so erweist er sich in Wahrheit als ein<br />

Fluch jeder jungen Arbeiterbewegung, die unter den Einfluß der Intelligenz gerät. So erklärt<br />

sich ein beträchtlicher Teil der Niederlagen, die diese Bewegung erfahren muß.<br />

Es ist interessant, daß Gorki, der in der „Nowaja Shisn“ schrieb, in dieser Hinsicht offenbar<br />

selbst sehr stark unter den Einfluß der Intelligenz [850] geriet. Die Taktik der „Bolschewiki“<br />

erscheint ihm – wie sie auch seiner Tatjana Lugowaja <strong>erschien</strong>en wäre – als die „leidenschaftlichste“<br />

und „heroischste“. Wir wollen hoffen, daß sein proletarischer Instinkt ihm früher<br />

oder später das Falsche jener taktischen Methoden offenbart, die Engels schon Anfang<br />

der fünfziger Jahre so treffend als revolutionäre Alchimie bezeichnet hat.<br />

Kehren wir zu unseren „Szenen“ zurück.<br />

III<br />

Der Bourgeois betrachtet die werktätige Masse durch das Prisma seiner überlebten Vorurteile<br />

und sieht in ihr nichts als die graue „Menge“ und in den psychologischen Motiven ihres<br />

Kampfes nichts als rohe, fast tierische Instinkte. Denn wer hätte nicht schon zu hören bekommen,<br />

daß sich der Klassenstandpunkt der bewußten Proletarier durch äußerste Beschränktheit<br />

auszeichne und jede Liebe zum „Menschen überhaupt“ ausschließe? Maxim<br />

Gorki, der selbst aus dem proletarischen Milieu hervorgegangen ist, weiß, wie grundfalsch<br />

das ist, und in seiner Eigenschaft als Künstler zeigt er uns das mittels eines interessanten<br />

künstlerischen Bildes. Sein Lewschin sieht auf alle Menschen mit dem gütigen, alles verzeihenden<br />

Blick des halbmythischen Dulders, der, wie es heißt, fürsprechend von seinen Todfeinden<br />

sagte: „Sie wissen nicht, was sie tun.“ Als der Landpolizist Lewschin bei seiner Verhaftung<br />

anschreit: „Schämst du dich nicht? Du alter Teufel!“, und der Arbeiter Grekow ihm<br />

erwidert: „Weshalb schimpfen Sie?“ – da bemerkt Lewschin seinerseits ruhig: „Das macht<br />

doch nichts! Es ist sein Dienst, grob zu sein!“ Nicht einmal Menschen, die ihn beleidigen,<br />

können ihn boshaft machen. Der Kampf ums Dasein in der kapitalistischen Gesellschaft<br />

macht auf ihn den niederschmetternden Eindruck unmenschlichen Zwanges. Er sagt zu Nadja,<br />

der Nichte der Wirtsleute: „Alles Menschliche auf der Erde ist durch das Kupfer vergiftet,<br />

mein liebes Fräulein. Darum ist Ihr junges Herz so traurig... Alle Menschen sind gebunden<br />

durch die kupferne Kopeke, aber Sie sind noch frei, und Sie haben keinen Platz unter den<br />

Menschen. Auf der Erde klingt jedem Menschen die Kopeke ins Ohr: lieb’ mich wie dich<br />

selbst... aber Sie betrifft das nicht!“ Der Arbeiter Jagodin bemerkt ihm gegenüber nicht ohne<br />

9

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