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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 08.07.2013<br />

dium jener Ursachen, in denen nichts Übernatürliches ist, denn sie sind von der Natur der<br />

Menschen und Völker abhängig.<br />

In seiner theologischen Geschichtsauffassung weist Bossuet der natürlichen Erklärung der<br />

geschichtlichen Ereignisse einen großen Platz zu. Freilich, diese natürliche Erklärung ist bei<br />

ihm eng mit theologischen Ideen verbunden, denn Gott der Herr verleiht den Menschen und<br />

Völkern in unabänderlicher Weise Eigenschaften, die der Stufe des Ruhmes entsprechen, für<br />

die er sie prädestiniert hat. Aber während diese Eigenschaften von Gott bereits angemessen<br />

sind, treten sie doch selbständig in Erscheinung, und während sie so in Erscheinung treten,<br />

haben wir nicht nur das Recht, sondern, wie Bossuet kategorisch erklärt, sind wir verpflichtet,<br />

eine natürliche Erklärung der Geschichte zu suchen.<br />

Die Geschichtsphilosophie Bossuets hat vor der des hl. Augustinus den großen Vorzug, daß<br />

sie auf der Notwendigkeit besteht, die einzelnen Ursachen der Ereignisse zu erforschen. Aber<br />

dieser Vorzug ist eigentlich nur ein Eingeständnis – und unfreiwilliges – der Schwäche und<br />

Unfruchtbarkeit der im Grunde genommen theologischen Auffassung, d. h. der Methode, die<br />

in der Erklärung der Erscheinungen durch die Tätigkeit einer oder mehrerer übernatürlicher<br />

Kräfte besteht.<br />

Dieses Eingeständnis konnten die Gegner der Theologie im folgenden Jahrhundert ausnutzen.<br />

Der gefährlichste dieser Gegner, der Patriarch von Ferney, Voltaire, sagt in seinem berühmten<br />

Werk „Essais sur les mœurs des Nations“ außerordentlich boshaft: „Nichts ist unseres<br />

Interesses würdiger als die Art und Weise, wie Gott wollte, daß die Kirche sich [10] gründe,<br />

indem er sekundäre Ursachen mit ihren ewigen Bestimmungen sich vereinigen ließ. Überlassen<br />

wir das Göttliche ehrfürchtig denen, die es zu bewahren haben, und beschäftigen wir uns<br />

allein mit der Geschichte“ („Essais“, Ausgabe Beuchot 1 , t. I, p. 346).<br />

Die theologische Geschichtsauffassung wird somit beiseite gelegt. Voltaire wendet sich nur<br />

den historischen Ereignissen zu und versucht, sie durch sekundäre, d. h. natürliche Ursachen<br />

zu erklären. Worin besteht aber die Wissenschaft, wenn nicht in der natürlichen Erklärung<br />

der Erscheinungen? Die Geschichtsphilosophie Voltaires ist der Versuch einer wissenschaftlichen<br />

Auslegung der Geschichte.<br />

Betrachten wir diesen Versuch etwas eingehender. Sehen wir zum Beispiel einmal zu, welche<br />

Ursachen nach Voltaire den Untergang des Römischen Reiches hervorgerufen haben.<br />

Der römische Verfall entwickelte sich allmählich und über einen langen Zeitraum. Aber von<br />

den Ursachen, die den Fall dieses gewaltigen Imperiums hervorgerufen haben, nennt Voltaire<br />

hauptsächlich folgende zwei: 1. die Barbaren und 2. die religiösen Auseinandersetzungen.<br />

Die Barbaren zerstörten das römische Imperium. „Aber“, fragt Voltaire, „warum haben die<br />

Römer sie nicht vernichtet, wie Marius die Kimbern vernichtet hatte?“ (Marius vernichtete<br />

die Kimbern i. J. 101 bei Aachen – Aix.) „Weil sich gar kein Marius fand; weil sich die Sitten<br />

geändert hatten; weil das Imperium in Arianer und Athanasier geteilt war. Man beschäftigte<br />

sich nur mit zwei Dingen: mit Zirkusrennen und mit den drei Hypostasen. Das Römische<br />

Imperium hatte damals mehr Mönche als Soldaten, und diese Mönche zogen scharenweise<br />

von Stadt zu Stadt, um die Consubstanzialität des Wortes zu verteidigen oder zu widerlegen“<br />

(ebenda, Bd. I, S. 377).<br />

„Als die Nachkommen der Scipionen zu Streitern geworden und die Bischofswürden umworbener<br />

waren, als es die Siegeskronen gewesen sind, und als die persönliche Wertschätzung<br />

von einem Hortensius und von einem Cicero auf Cyrillus, Gregorius und Ambrosius überge-<br />

1 [Bei Plechanow irrtümlich Beychot.]<br />

6

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