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erschien nennen menschenähnlichen

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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 22.07.2013<br />

gust 1862), sich an die Verfasser 1* der bekannten Proklamation „Junges Rußland“ wendend:<br />

„Wir lieben schon lange nicht mehr die beiden blutgefüllten Becher der bürgerlichen und militärischen<br />

Gewalt – d. h. das Blutvergießen sowohl im Kriege als auch in der Revolution –‚ und<br />

ebenso wollen wir nicht trinken aus der Hirnschale unserer Feinde im Kampf, noch wollen<br />

wir den Kopf der Herzogin Lamballe aufgespießt sehen auf dem Bajonett... Welches Blut<br />

auch fließen mag, irgendwo fließen Tränen, und wenn man schon manchmal darüber hinwegschreiten<br />

muß, so nicht mit blutrünstigern Hohn, sondern in dem schmerzlichen, bebenden<br />

Gefühl schrecklicher Pflicht und tragischer Notwendigkeit.“<br />

Erläuterung der tragi[schen] Notwendigkeit. Unmöglichkeit des Mißbrauchs.<br />

Einige Stellen weiter in dem gleichen Artikel fährt er fort: „Zu den Waffen rufen darf man<br />

nur unmittelbar vor der Schlacht. In allen Fällen bedeutet ein zu früh gegebenes Kampfsignal,<br />

daß der Feind aufmerksam [831] gemacht und benachrichtigt wird, daß man vor ihm seine<br />

Schwäche aufdeckt.“<br />

Sie sehen: auch hier keine Spur von Blutdurst. Herzen weist darauf hin, daß irgendwo Tränen<br />

vergossen werden, welches Blut auch fließen mag. Aber – und hierin unterscheidet er sich so<br />

unendlich von Tolstoi – seine Humanität hindert ihn nicht zu verstehen, daß der schicksalhafte<br />

Tag kommen kann, wo es zur schrecklichen Pflicht, zur tragischen Notwendigkeit wird,<br />

der Gewalt gewaltsam entgegenzutreten, und wo die Menschen, die ihr Land lieben und den<br />

Interessen seiner werktätigen Bevölkerung ergeben sind, verpflichtet sein werden, sich<br />

furchtlos „zum Kampfe zu stellen“ und ihr „Leben in die Schanze zu schlagen“. Und schon<br />

diese Worte – „sich zum Kampfe stellen“, „sein Leben in die Schanze schlagen“ – sind überaus<br />

charakteristisch für seine Einstellung zur Frage der Gewalt. Indem er anerkennt, daß der<br />

blutige Zusammenstoß unter gewissen Umständen zu einer schicksalhaften Notwendigkeit<br />

werden kann, betrachtet er ihn hauptsächlich vom Gesichtspunkt jener Selbstaufopferung, die<br />

er stets von einem Revolutionär verlangt hat und gegen die Graf Tolstoi blind war. Siehe seine<br />

Schrift „Göttliches und Menschliches“. 2* Deshalb hielt Herzen, als es zum polnischen<br />

Aufstand kam, der blutige Repressalien von seiten der russischen Regierung zur Folge hatte,<br />

nicht beide Teile für gleich schuldig – und das konnte er auch nicht –‚ während Graf Tolstoi<br />

es unter ähnlichen Umständen später getan hat und tun mußte. Herzen verstand, daß nicht die<br />

Aufständischen die Verantwortung für das Blutvergießen trugen. 3<br />

„Diesen Aufstand haben alle vorausgesehen“, schrieb er, „bei der unmenschlichen polizeilichen<br />

Rekrutierung mußte es dazu kommen; wir selbst und auch ein Dutzend anderer Zeitschriften<br />

hatten warnend darauf hingewiesen; es hat sogar Leute gegeben, die den Großfürsten<br />

und den Zaren warnten, doch diese wollten nichts zur Vermeidung des Aufstandes tun,<br />

sie wählten das Blut!“ 4<br />

In Fällen wie diesem sind es immer die regierenden Kreise, die das Blutvergießen wählen,<br />

1* Ihr Verfasser war der Revolutionär P. G. Saitschnewski; die Proklamation <strong>erschien</strong> im Jahre 1862.<br />

2* Plechanow weist hin auf L. Tolstois Erzählung „Göttliches und Menschliches“ (1905), in der ein Terrorist aus<br />

dem Geheimbund „Narodnaja Wolja“, der im Gefängnis sitzt und von der Rechtlichkeit seiner Ansichten überzeugt<br />

ist, den Vertretern der neuen Generation, den Sozialdemokraten, gegenübergestellt wird, die den Terror prinzipiell<br />

ablehnen. Der Terrorist begeht, da er keinen Ausweg sieht, schließlich Selbstmord. Diesem düsteren Ende<br />

stellte Tolstoi den friedlichen Tod eines jungen Mannes gegenüber, der im Gefängnis zuletzt an das Evangelium<br />

glaubte, und den sanften Tod eines alten Mannes und Schismatikers, der ebenfalls am Ende seines Lebens an das<br />

Evangelium glaubte. (Siehe L. N. Tolstoi, Sämtliche Werke, Bd. XVI, 1913.)<br />

3 An einer anderen Stelle des Manuskripts wurden von Plechanow Zeilen ausgestrichen, die denselben Gedanken,<br />

aber in etwas anderer Formulierung enthalten: „... Herzen hielt nicht“, so sagt er darin, „beide Teile für gleich schuldig,<br />

wie das 1905/06 Tolstoi sowohl von der Regierung als auch von den Revolutionären gesagt hat.“ Red. L. N.<br />

4 Aus dem Aufsatz Herzens „Resurrexit“; „Kolokol“, 1863. Nr. 155 vom 1. Februar (Ges. Werke, Bd. XI, S. 26).<br />

Die Red.<br />

8

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