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erschien nennen menschenähnlichen

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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 22.07.2013<br />

Basarow 1 , daß Tolstoi immer schon „gegen den Glauben an das Übermenschliche“ angekämpft<br />

habe und daß er „zum erstenmal, nicht nur für sich, sondern auch für die anderen,<br />

jene rein menschliche Religion objektiviert, d. h. geschaffen habe, von der Comte, Feuerbach<br />

und die anderen Vertreter der modernen Kultur nur subjektiv zu träumen vermochten“ 2 .<br />

Ob Graf Tolstoi die logische Möglichkeit besaß, „gegen den Glauben an das Übermenschliche“<br />

anzukämpfen, das zeigen am besten seine folgenden Worte: „Wichtig ist es, Gott als<br />

seinen Herrn anzuerkennen und zu wissen, was er von mir verlangt; aber was er selbst ist und<br />

wie er lebt, das werde ich niemals ergründen, weil ich ihm nicht ebenbürtig bin. Ich bin<br />

Knecht, er ist der Herr.“ 3<br />

[802] Ist das etwas anderes als eine Predigt „des Übermenschlichen“?<br />

Außerdem ist selbst für die Revisionisten die Zeit gekommen, endlich zu begreifen, daß alles<br />

Gerede über „die rein menschliche Religion“ leeres Geschwätz ist. „Die Religion“, sagt Feuerbach,<br />

„ist das unbewußte Bewußtwerden des Menschen.“ Durch diese Unbewußtheit ist nicht<br />

nur die Existenz der Religion, sondern auch der „Glaube an das Übermenschliche“ bedingt.<br />

Sobald die Unbewußtheit verschwindet, schwindet auch der Glaube an das Übermenschliche<br />

und damit die Möglichkeit der Religion. Und wenn Feuerbach nicht klar begriffen hatte, wie<br />

unvermeidlich das ist, so war es eben sein Fehler, den Engels so schön aufgedeckt hat.<br />

Je religiöser die Weltanschauung des Grafen Tolstoi, desto unvereinbarer war sie mit der<br />

Weltanschauung des sozialistischen Proletariats.<br />

VI<br />

Die Bedeutung der Predigt Tolstois bestand nicht in ihrer moralischen und auch nicht in ihrer<br />

religiösen Seite. Sie bestand in der plastischen Darstellung jener Ausbeutung des Volkes,<br />

ohne die die höheren Klassen einfach nicht sein können. Diese Ausbeutung betrachtet Tolstoi<br />

vom Standpunkt des moralischen Übels, das sie den Ausbeutern zugefügt hat. Das hinderte<br />

ihn aber nicht, sie mit dem ihm eigenen, d. h. hervorragenden Talent zu schildern.<br />

Was enthält das Buch „Das Reich Gottes in uns“ Gutes? 4* Jene Stelle, wo die Mißhandlung<br />

der Bauern durch den Gouverneur beschrieben wird. Womit kann man in der Broschüre „Wie<br />

ist mein Leben?“ einverstanden sein? Vielleicht nur damit, daß man in ihr über den ewigen<br />

Zusammenhang selbst der harmlosesten Zerstreuungen der herrschenden Klasse mit der Ausbeutung<br />

des Volkes spricht. Was erschüttert den Leser in dem Aufsatz „Ich kann nicht<br />

schweigen!“? Die künstlerische Darstellung der Hinrichtung von zwölf Bauern. Wie alle „absolut<br />

konsequenten“ Christen ist Tolstoi ein sehr schlechter Staatsbürger. Wenn dieser sehr<br />

schlechte Staatsbürger beginnt, mit der ihm eigenen Kraft die seelischen Regungen der Vertreter<br />

und Verteidiger der bestehenden Ordnung zu analysieren; wenn er die ganze freiwillige<br />

oder unfreiwillige Heuchelei ihrer steten Hinweise auf das Wohl der Gesellschaft entlarvt:<br />

dann muß man ihm ein gewaltiges staatsbürgerliches Verdienst gutschreiben. Er predigt, man<br />

solle dem Bösen nicht gewaltsam widerstreben, doch diese Seiten, die den eben gezeigten<br />

1 Die Redaktion der Zeitschrift „Nascha Sarja“ erklärt in einer Anmerkung, daß sie die Verantwortung für einige<br />

Thesen aus dem Aufsatz des Herrn W. Basarow „Tolstoi und die russische Intelligenz“ dem Verfasser überlasse.<br />

Aber erstens läßt sie vorsichtshalber dahingestellt, welche Thesen sie nicht teilt, und zweitens ist die Redaktion der<br />

deutschen „Nascha Sarja“ (die derzeitigen „Sozialistischen Monatshefte“) auch immer mit „einigen Thesen“ der<br />

Aufsätze ihrer Mitarbeiter nicht einverstanden, was diese Herren jedoch nicht hindert, immer denselben Standpunkt<br />

wie die Redaktion zu vertreten.<br />

2 „Nascha Sarja“ [1910], Nr. 10, S. 48 (von Basarow gesperrt).<br />

3 „Reife Ähren“, S. 114.<br />

4* „Das Reich Gottes in uns, oder: das Christentum nicht als mystische Lehre, sondern als neue Lebensauffassung“<br />

– dieses Buch wurde von Tolstoi im Jahre 1893 geschrieben.<br />

12

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