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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 22.07.2013<br />

Gib deinen Namen den Armen und Siechen,<br />

Deinen heiligen Namen.<br />

Die Bettler, sie werden die Lande durchschreiten,<br />

Dich, Christus, zu loben und zu preisen<br />

Und all Orts zu rühmen, in Zeiten...“<br />

Tolstoi wollte den Menschen genau das geben, was Johannes Chrysostomus von Christo für<br />

die Bettler erbittet. Mehr braucht er auch wirklich nicht. Seine Lehre ist Pessimismus auf<br />

religiöser Grundlage oder, wenn Sie wollen, Religion auf der Grundlage einer äußerst pessimistischen<br />

Weltauffassung. Von dieser Seite, wie von allen anderen, ist sie der Lehre Marx’<br />

direkt entgegengesetzt.<br />

Gleich den anderen Materialisten war Marx himmelweit davon entfernt zu meinen, daß „das<br />

Ziel des Lebens außerhalb des Genusses“ liege. Bereits in seinem Buche „Die heilige Familie“<br />

weist er auf den Zusammenhang zwischen dem Sozialismus (und dem Kommunismus)<br />

und dem Materialismus im allgemeinen und der materialistischen Lehre von der „moralischen<br />

Berechtigung des Genusses“ im besonderen hin. Aber bei ihm – wie bei der Mehrzahl<br />

der Materialisten – nahm diese Lehre niemals jene egoistische Gestalt an, in der sie dem Idealisten<br />

Tolstoi <strong>erschien</strong>. Im Gegenteil, bei ihm war sie eines der Argumente zugunsten der<br />

sozialistischen Forderungen.<br />

„Wenn der Mensch aus der Sinnenwelt und der Erfahrung in der Sinnenwelt alle Kenntnis,<br />

Empfindung etc. sich bildet, so kommt es also darauf an, die empirische Welt so einzurichten,<br />

daß er das wahrhaft Menschliche in ihr erfährt, sich angewöhnt, daß er sich als Mensch erfährt.<br />

Wenn das wohlverstandne Interesse das Prinzip aller Moral ist, so kommt es darauf an,<br />

daß das Privatinteresse des Menschen mit dem menschlichen Interesse zusammenfällt. Wenn<br />

der Mensch unfrei im materialistischen Sinne, d. h. frei ist, nicht durch die negative Kraft,<br />

dies und jenes zu meiden, sondern durch die positive Macht, seine wahre Individualität geltend<br />

zu machen, so muß man nicht das Verbrechen am Einzelnen strafen, sondern die antisozialen<br />

Geburtsstätten des Verbrechens zerstören und jedem den sozialen Raum für seine wesentliche<br />

Lebensäußerung geben. Wenn [801] der Mensch von den Umständen gebildet wird,<br />

so muß man die Umstände menschlich bilden.“ 1<br />

Das ist also die wissenschaftliche Grundlage unserer Lehre von der Moral. Wer ihr bewußt<br />

zustimmt, der kann nicht anders, als sich über die Eklektiker zutiefst empören, die das Proletariat<br />

jetzt auffordern, sich vor der Größe der Moralpredigt Tolstois zu verneigen. Das revolutionäre<br />

Proletariat muß eine solche Predigt entschieden ablehnen.<br />

Auch in seiner Stellung zur Religion ist Tolstoi Marx direkt entgegengesetzt. Marx bezeichnete<br />

die Religion als jenes Opium, mit dem die herrschenden Klassen das Bewußtsein des<br />

Volkes einzuschläfern versuchen und sagte, erst die Vernichtung der Religion, des angeblichen<br />

Glücks des Volkes, sei die Forderung nach seinem wahren Glück. Engels schrieb:<br />

„Wir erklären der Religion und den religiösen Vorstellungen ein für allemal den Krieg.“<br />

Tolstoi hält jedoch die Religion für die erste Bedingung des wahren Glücks der Menschen.<br />

Und vergebens erzählen uns unsere „Sozialistischen Monatshefte“, in der Person des Herrn T.<br />

1 Vgl. Anhang I („Karl Marx über den französischen Materialismus des 18. Jahrhunderts“) in Friedrich Engels’<br />

„Ludwig Feuerbach“, nach meiner Übersetzung, Genf 1905, S. 63. [Es handelt sich um ein Zitat aus dem Abschnitt<br />

„Kritische Schlacht gegen den französischen Materialismus“ aus der Arbeit von Marx und Engels „Die heilige<br />

Familie, oder Kritik der kritischen Kritik. Gegen Bruno Bauer und Consorten“ (Karl Marx/Friedrich Engels, „Die<br />

heilige Familie und andere philosophische Frühschriften“, Dietz Verlag, Berlin 1953, S. 261).]<br />

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