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erschien nennen menschenähnlichen

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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 22.07.2013<br />

weit von ihnen entfernt fühlte. Beständig stellte er sie mit den Popen in eine Reihe, und die<br />

hat er in den letzten Jahrzehnten seines Lebens recht wenig geliebt.<br />

In dem Buch „Reife Ähren“ gibt es ein kurzes, aber außergewöhnlich lehrreiches Kapitel:<br />

„Verwirrung der Begriffe“. Dort heißt es: „Wir täuschen uns häufig, wenn wir bei der Begegnung<br />

mit Revolutionären meinen, ihnen doch ganz nahe zu stehen. ‚Es gibt keinen Staat.‘ –<br />

‚Es gibt keinen Staat!‘ – – ‚Es gibt kein Eigentum.‘ – ‚Es gibt kein Eigentum!‘ – –‚Es gibt<br />

keine Ungleichheit.‘ – ‚Es gibt keine Ungleichheit!‘ und anderes mehr. Es scheint, als sei<br />

alles dasselbe. Und doch ist ein ziemlich großer Unterschied da; ja, es kann nicht Menschen<br />

geben, die uns ferner ständen. Für den Christen gibt es keinen Staat; sie aber wollen den Staat<br />

vernichten. Für den Christen gibt es kein Eigentum; sie aber wollen das Eigentum zertrümmern.<br />

Für den Christen sind alle gleich; sie aber wollen die Ungleichheit abschaffen. Das sind<br />

gleichsam zwei Enden eines nicht geschlossenen Ringes. Die Enden stehen sich gegenüber,<br />

sie sind aber weiter voneinander entfernt als alle anderen Teile des Ringes. 1 Man muß den<br />

[772] ganzen Ring durchlaufen, um miteinander zu verbinden, was an seinen Enden ist.“ 2<br />

Hier ist Wahres und Falsches durcheinandergeworfen, aber das Falsche ist hier unwesentlich,<br />

das Wahre dagegen äußerst wichtig.<br />

So behauptet Tolstoi zum Beispiel, die Revolutionäre wollten den „Staat vernichten“. Das ist<br />

nur in bezug auf die Anarchisten richtig. Aber die Anarchisten bilden, wenn man sie überhaupt<br />

als Revolutionäre bezeichnen kann, was ich nicht glaube, in den Reihen der Revolutionäre unserer<br />

Zeit eine verschwindende Minderheit. Demnach ist die Behauptung Tolstois unrichtig.<br />

Unrichtig ist auch seine Behauptung, daß die Revolutionäre „das Eigentum zertrümmern“ wollen.<br />

Ich sage mehr: Wer klar und präzise zu denken gewohnt ist, wird nicht einmal begreifen,<br />

was das Zeitwort „zertrümmern“ in Anwendung auf solch eine gesellschaftliche Institution, wie<br />

es das Eigentum ist, bedeuten soll. Und es besteht kein Zweifel darüber, daß die Revolutionäre<br />

unserer Tage in ihrer überwiegenden Mehrheit – d. h. wiederum mit Ausnahme der Anarchisten,<br />

die äußerst zweifelhafte Revolutionäre sind – das Eigentum nicht „zertrümmern“, wohl<br />

aber ihm einen neuen Charakter verleihen wollen: das Privateigentum an Produktionsmitteln<br />

durch gesellschaftliches Eigentum zu ersetzen. Denn die „Zertrümmerung“ des Eigentums –<br />

wenn man darunter die gewaltsame Vernichtung oder Beschädigung seiner Gegenstände versteht<br />

– wurde und wird von ihnen stets als eine schädliche Handlung verurteilt, die von einem<br />

Erkenntnismangel derer zeugt, die sich damit abgeben.<br />

Aber das alles ist nicht wichtig. In dem, was wichtig ist, hatte Tolstoi vollkommen recht. Es<br />

gibt und es gab keine Menschen, die weiter von ihm entfernt wären als die modernen Sozialisten...<br />

Richtiger gesagt – als jene unter ihnen, die den Sinn ihrer eigenen theoretischen Ansichten<br />

und praktischen Bestrebungen ganz erfaßt haben. Man kann sich nicht besser ausdrücken:<br />

„Das sind gleichsam zwei Enden eines nicht geschlossenen Ringes... Man muß den<br />

ganzen Ring durchlaufen, um miteinander zu verbinden, was an seinen Enden ist.“ Wer das<br />

nicht begreift, macht sich einer Verwirrung der Begriffe schuldig.<br />

Und ob sich deren bei uns viele schuldig machen, möge der Leser selbst beurteilen. 3<br />

1 Man muß darauf hinweisen, daß in den „Reifen Ähren“ an dieser Stelle die Verneinung „nicht“ statt „aber“ steht.<br />

Plechanow hat diese Stelle geändert. Die Red.<br />

2 „Reife Ähren“, S. 69/70.<br />

3 Ich kann denen, die diesen Fehler vermeiden wollen, die ausgezeichnete Arbeit L. Axelrods (Orthodox):<br />

„Tolstois Weltanschauung und ihre Entwickelung“ von L. Axelrod, Stuttgart, Verlag von Ferdinand Enke, 1902,<br />

sehr empfehlen.<br />

15

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