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erschien nennen menschenähnlichen

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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 22.07.2013<br />

III<br />

Und so war es nicht nur dort, wo es sich um die Todesstrafe handelte. So war es glattweg<br />

überall! Tolstoi sagt:<br />

„Eigentum ist eine Fiktion, die nur für jene existiert, die an Mammon glauben und ihm<br />

deshalb dienen.<br />

Ein Gläubiger in Christo befreit sich vom Eigentum nicht durch irgendeine Handlung, nicht<br />

durch die sofortige oder allmähliche Übergabe des Eigentums in andere Hände (da er die Bedeutung<br />

des Eigentums für sich nicht anerkennt, kann er seine Bedeutung auch für andere<br />

nicht anerkennen), sondern der Christ befreit sich von ihm innerlich, durch die Erkenntnis,<br />

daß es nicht vorhanden ist und nicht vorhanden sein kann, hauptsächlich aber dadurch, daß es<br />

weder ihm selbst noch anderen etwas nützt.“ 1<br />

Wenn man für seine eigene Person dem Eigentum die Bedeutung aberkennt, dann kann man,<br />

um konsequent zu bleiben, für andere seine Bedeutung nicht anerkennen. Das ist richtig!<br />

Doch wenn das richtig ist, dann ist auch die Schlußfolgerung richtig, daß sich ein Christ vom<br />

Eigentum „innerlich“ frei zu machen hat und nicht durch irgendeine „Handlung“ – zum Beispiel<br />

durch Übergabe des Eigentums in andere Hände. Trotz des erstaunlichen künstlerischen<br />

Talents zeichnete sich Graf Tolstoi nicht gerade durch Stärke der Logik aus. Sehr häufig widersprach<br />

er sich selbst. Aber hier ist seine Logik unanfechtbar; hier sind seine Schlußfolgerungen<br />

nicht anzuzweifeln.<br />

Jetzt frage ich Sie, lieber Leser: Was soll man von den Menschen denken – vielleicht befanden<br />

auch Sie sich unter ihnen –‚ die nicht locker ließen, von dem Grafen Tolstoi eine „Handlung“<br />

zu fordern, etwa in der Art der Übergabe seines Landbesitzes an die Bauern von Jasnaja<br />

Poljana, und die ganz betrübt waren, daß er bis zuletzt nicht so „handelte“?<br />

Meines Erachtens kann man von solchen Menschen – verzeihen Sie! – nur das eine sagen: sie<br />

sind gut, aber unklug! Jedenfalls haben sie den Grafen Tolstoi überhaupt nicht verstanden.<br />

[760] In demselben Buche „Reife Ähren“, in dem sich die soeben angeführte Stelle über das<br />

Eigentum befindet, finden wir noch folgende Überlegung:<br />

„Wenn Sie Ihr Eigentum einfach verlassen, ohne es irgend jemand zu übergeben (selbstverständlich,<br />

ohne den Menschen dadurch den Gedanken aufzuzwingen, daß Sie es absichtlich<br />

loszuwerden trachten), und dann zeigen würden, daß Sie nicht nur ebenso zufrieden, gut und<br />

glücklich mit Eigentum, sondern in noch viel stärkerem Maße ohne Eigentum sind, dann<br />

würden Sie auf die Menschen einen größeren Einfluß ausüben und ihnen mehr Gutes tun, als<br />

wenn Sie sie durch Aufteilung Ihres Überflusses anlockten.“ 2<br />

Das scheint klar zu sein! Und im weiteren wird es noch klarer – wenn man sich überhaupt<br />

noch klarer ausdrücken kann:<br />

„Ich sage nicht, es erübrigt sich, auf andere einzuwirken oder ihnen zu helfen; im Gegenteil,<br />

ich bin der Auffassung, daß gerade darin der Sinn des Lebens liegt. Aber helfen muß man mit<br />

reinem Herzen und nicht mit unreinem Herzen – mit dem, was wir besitzen. Um wirklich<br />

helfen zu können, müssen wir vor allem, solange wir selbst nicht rein sind, uns läutern.“ 3<br />

Graf Tolstoi „läuterte sich“ mit großem Eifer. Das <strong>erschien</strong> ihm und mußte ihm als die „Hauptsache“<br />

erscheinen. Indes erwartete und forderte man von ihm eine „Handlung“, durch die er<br />

aber, wenn er sie ausgeführt hätte, sich selbst untreu geworden wäre. Wo bleibt da die Logik?<br />

1 Ebenda, S. 153.<br />

2 „Reife Ähren“, S. 159.<br />

3 Ebenda.<br />

6

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