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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 21.07.2013<br />

[728]<br />

Das Begräbnis N. A. Nekrassows*<br />

Am siebenundzwanzigsten dieses Monats jährte sich zum vierzigsten Male der Todestag N.<br />

A. Nekrassows. 1 Einige Zeitungen haben dem Dichter der „Rache und des Leids“ schon vor<br />

den Festtagen besondere Artikel gewidmet. Nun möchte auch ich dem Leser ein paar Worte<br />

über ihn sagen. Ich meine, es ist nicht nötig und auch nicht möglich, mich von neuem mit der<br />

Frage zu befassen, welche Rolle er in der Geschichte der russischen Dichtkunst gespielt hat.<br />

Was hierüber zu sagen war, ist im wesentlichen bereits gesagt worden. So will ich hier lieber<br />

berichten, wie sich die revolutionären Volkstümler der siebziger Jahre, vertreten durch die<br />

Gesellschaft „Land und Freiheit“, am Begräbnis N. A. Nekrassows beteiligt haben.<br />

Übrigens waren sie nicht nur durch diese Gesellschaft vertreten. Gerade zu jener Zeit waren<br />

in Petrograd – in Petersburg, wie es damals hieß – eine Menge der angesehensten Vertreter<br />

der „Rebellen“ aus dem Süden Rußlands zusammengekommen. Frolenko, Woloschenko,<br />

Walerian Osinski, Tschubarow („Der Kapitän“) und viele andere waren da. Es waren lauter<br />

„illegale“, kühne, energische Leute, die vortrefflich mit der Waffe umzugehen wußten und<br />

für jedes waghalsige Unternehmen zu gewinnen waren. Nachdem sich die Gesellschaft „Land<br />

und Freiheit“ der Mitwirkung dieser erprobten Draufgänger versichert hatte, beschloß sie,<br />

beim Begräbnis offen als revolutionäre sozialistische Organisation aufzutreten. Zu diesem<br />

Zweck bestellte sie einen Kranz mit der Aufschrift: „Von den Sozialisten“. Ich kann mich<br />

nicht mehr genau entsinnen, wer diesen Auftrag ausgeführt hat, aber ich erinnere mich genau,<br />

daß er ausgeführt worden ist. Rings um den sozialistischen Kranz standen, zu einem engen<br />

Ring zusammengeschlossen, die Rebellen aus Südrußland und die Mitglieder der Gesellschaft<br />

„Land und Freiheit“, gemeinsam mit den Mitgliedern der Arbeiterzirkel, deren es<br />

schon damals in den verschiedenen [729] Petrograder Fabriken und Werken nicht wenige<br />

gab. Die Rebellen und die Mitglieder der Gesellschaft „Land und Freiheit“ hatten Revolver<br />

mitgenommen und waren entschlossen, von ihnen Gebrauch zu machen, falls es der Polizei<br />

einfallen sollte, den Kranz gewaltsam zu entfernen.<br />

Aus irgendeinem Grunde – vielleicht weil sie zu spät gemerkt, daß die Revolutionäre eine<br />

Demonstration vorhatten, und daher keine Vorbereitungen eines Einschreitens getroffen hatte<br />

– machte die Polizei keinen Versuch, den Kranz der Sozialisten wegzunehmen. Man brachte<br />

ihn glücklich zum Wolkow-Friedhof, und erst in der dortigen Kirche, wohin man den Sarg<br />

mit der Leiche Nekrassows zur Totenmesse getragen hatte, kam es wegen unseres Kranzes<br />

irgendwie zu einer Unruhe.<br />

Ich weiß nicht, was eigentlich vorging, da nur wenige von uns die Kirche betreten hatten. Alle<br />

übrigen – ausgenommen die „Warner‘, die Alarm schlagen sollten, falls die Polizei unsere beim<br />

Kranze aufgestellten Leute verhaften wollte – begaben sich zu dem Grabe, das man für<br />

Nekrassow hergerichtet hatte, und stellten sich rundum in geschlossenen Reihen auf. Es war<br />

uns bekannt, daß am Grabe Nekrassows Reden gehalten würden, und die Gesellschaft „Land<br />

und Freiheit“ hatte es für nötig befunden, auch ihrerseits einen Redner zu stellen, der, ohne sich<br />

um die Anwesenheit der Geheimpolizei und der öffentlichen Polizei zu kümmern, sagen sollte,<br />

was die damalige revolutionäre Intelligenz über den Verfasser der „Eisenbahn“ dachte. Die<br />

Wahl fiel auf den Schreiber dieser Zeilen. Ich weiß nicht mehr, ob viele Redner vor mir gesprochen<br />

haben. Ich erinnere mich nur, daß Sassodimski und Dostojewski unter ihnen waren.<br />

* Anmerkungen zu: Das Begräbnis N. A. Nekrassows (S. 728-732)<br />

Der Aufsatz wurde erstmals gedruckt in der Zeitung „Nasche Jedinstwo“ (1917, Nr. 7 vom 29. Dezember). Hier<br />

drucken wir den Text des Sammelbandes „G. W. Plechanow als Literaturkritiker“ (1933, S. 170-175).<br />

1 [Nekrassow ist am 27. Dezember 1877 alten Stils gestorben.]<br />

1

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