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erschien nennen menschenähnlichen

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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 21.07.2013<br />

Dem wünschen wir nur eine gute Nacht,<br />

Der alles trägt um Christi willen,<br />

Wes Mund kein Wort des Grolls hervorgebracht,<br />

Wes strenge Augen keine Tränen füllen;<br />

Wes rauhe Hände stets sich regen,<br />

Und ehrerbietig uns daran gewöhnen,<br />

Nur Kunst und Wissenschaft zu pflegen<br />

Und Träumen und Gelüsten nur zu frönen;<br />

Wer seines Lebens Bahnen recht und schlecht<br />

In tiefer, unbestimmter Nacht durchdöst,<br />

Und wer, nicht wissend, was ist Gott, was Recht,<br />

Im dunklen Kerker lebt, den nie ein Licht erlöst...<br />

Man kann sich nichts Trostloseres vorstellen als diese Schilderung. Das ist der höchste Grad<br />

der Unterwürfigkeit. Einem solchen Volk kann man [717] nur noch eine „gute Nacht“ wünschen:<br />

es ist nicht fähig zu erwachen. Wie man sieht, kommt Nekrassow dieser Gedanke<br />

nicht selten; seine „Betrachtungen an der Paradetreppe“ schließen mit der Frage:<br />

... Ach du Gutes, laß dich fragen:<br />

Was willst du bloß mit deinem Stöhnen sagen?<br />

Wirst du aufstehn in Erkenntnis deiner Macht;<br />

Hast du, bauend auf des Schicksals Schwingen,<br />

Alles, was du kannst, bereits vollbracht,<br />

Als du dir Lieder schufest, die wie Stöhnen klingen;<br />

Bannst du dich nun ewig in die geist’ge Nacht?<br />

Zwei Jahre später, im Jahre 1860, zeichnet Nekrassow in seinem Gedicht „An der Wolga“<br />

den Treidler, der ihn durch die stets gleiche endlose Geduld und durch die stets gleiche<br />

stumpfsinnige Unbeweglichkeit des Denkens in Erstaunen setzt:<br />

Burlak, du arme, traurige Gestalt!<br />

Wie ich dich einst als Kind gesehn,<br />

Seh ich dich heut noch vor mir stehn:<br />

Du singst das Lied, das du gesungen hast,<br />

Noch immer schleppst du gleiche Last;<br />

Die gleichen müden Züge im Gesicht,<br />

Aus denen grenzenloses Dulden spricht...<br />

∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙<br />

Dein Vater stöhnte an die vierzig Jahr’<br />

An diesem Strom und treckte seine Kette;<br />

Doch ward ihm nicht einmal im Sterben klar,<br />

Was er den Söhnen zu gebieten hätte.<br />

Und so wie er, hast du es unterlassen,<br />

Dich mit der Frage zu befassen:<br />

Dein Los – kann es denn schwerer sein,<br />

Wenn du dich auflehnst wider diese Pein?...<br />

[718] Nekrassow weiß, daß die Menschencharaktere unter dem Einfluß des sie umgebenden<br />

gesellschaftlichen Milieus geformt werden, und er gibt sich keiner Täuschung hin bezüglich<br />

der Eigenschaften des Milieus, in dem sich der russische Volkscharakter herausgebildet hat:<br />

Die Barbarei wird fortbestehn,<br />

Wo hier Geschlechter auf Geschlecht<br />

So spurlos leben wie sie untergehn,<br />

und ihre Kinder schirmt kein Recht.<br />

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