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erschien nennen menschenähnlichen

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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 21.07.2013<br />

Hier wird die Dichtung Nekrassows, der niemals Revolutionär gewesen ist, zur revolutionären<br />

Dichtung, und man braucht sich darüber nicht zu wundern, daß Bruchstücke wie das eben<br />

angeführte von den fortschrittlichen russischen Menschen auswendig gelernt wurden. Solche<br />

Bruchstücke haben bis auf den heutigen Tag keineswegs an Bedeutung verloren, und sie werden<br />

ihre Bedeutung so lange behalten, wie die fortschrittliche Menschheit sich den Weg zu<br />

ihrem Ideal gewaltsam bahnen muß. Und sie wird, wie man sieht, dieser Notwendigkeit noch<br />

lange nicht enthoben sein, weil man gar nirgends merkt, wie die von den „Kritikern des Marxismus“<br />

in Aussicht gestellte Milderung der gesellschaftlichen Gegensätze Wirklichkeit wird.<br />

Was für Überzeugungen sind es nun, für die der Staatsbürger ins Feuer gehen und, wenn nötig,<br />

sein Blut vergießen muß? Im allgemeinen wäre [711] es seltsam, in Werken der Dichtkunst<br />

genau formulierte soziale und politische Forderungen suchen zu wollen. Indem die<br />

Dichtung Nekrassows jedoch die Bestrebungen der führenden russischen Rasnotschinzen<br />

zum Ausdruck bringt, stellt sie den Staatsbürger immerhin vor eine ziemlich bestimmte gesellschaftliche<br />

Aufgabe. Diese Aufgabe besteht darin, das russische Volk von all den Formen<br />

der Bedrückung zu befreien, die auf ihm als Folge der alten und, wie ich schon sagte, bis auf<br />

den heutigen Tag noch lange nicht völlig überwundenen Ordnung der Leibeigenschaft lastet.<br />

Wie Nekrassow die Lage des russischen Volkes sah, ist klar zu ersehen aus der von mir bereits<br />

zitierten Dichtung „Betrachtungen an der Paradetreppe“:<br />

... Heimatland!<br />

So nenne einen Fleck mir in der Welt –<br />

Er ist noch nie begegnet meinem Blick:<br />

Wo er, der für dich sät, der dich erhält,<br />

Wo er nicht stöhnt, der russische Mushik.<br />

Er stöhnt auf seinem Acker und am Wegesrand,<br />

Er stöhnt in Kerker und Verlies verbannt.<br />

Er stöhnt im Bergwerk und in Ketten und als Sklave;<br />

Stöhnt, wenn er sich unter Korne legt<br />

Und unterm Wagen in der Nacht zum Schlafe;<br />

Stöhnt in seiner eignen Kate gar, daheim,<br />

Wohin ein klarer Lufthauch nie geweht,<br />

Er stöhnt in jedem Städtchen, wenn er klein<br />

Am Tore der Paläste, der Gerichte steht.<br />

Und dann die Wolga: wirst das Stöhnen kennen,<br />

Das da klingt den ganzen Strom entlang;<br />

Man schämt sich nicht, es Lied zu <strong>nennen</strong>:<br />

Wolgatreidler ziehn an ihrem Strang.<br />

Wolga, Wolga! Nie zur Frühlingszeit<br />

Hast du die Äcker so gewaltig überflutet,<br />

Wie das Land jetzt überquillt vom Schmerz,<br />

Der unserm Volk aus seiner Seele blutet.<br />

[713] Dieses unglückliche Volk in seinem Kampf gegen den „tückischen Trug“, der es versklavt<br />

und bedrückt, zu unterstützen – das ist die erste Bürgerpflicht, die erste Pflicht des<br />

denkenden Landeskindes, das „die Leiden der Mutter nicht ohne Schmerz“ sehen kann:<br />

Los meines Volkes,<br />

Glück und Gericht:<br />

Vor allen Dingen –<br />

Freiheit und Licht!‘<br />

Diese Unterstützung des bedrückten Volkes, dieser Kampf um seine Befreiung ist nicht nur<br />

eine moralische Verpflichtung, sondern auch ein unabweisbares Bedürfnis des ehrlichen und<br />

denkenden Menschen:<br />

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