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erschien nennen menschenähnlichen

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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 21.07.2013<br />

Zwiespalt zwischen „Söhnen“ und „Vätern“ noch Dobroljubows Ausfälle gegen die despotischen<br />

Starrköpfe noch Pissarews „Zerstörung der Ästhetik“ verstehen. Alle diese mannigfaltigen<br />

Züge ein und derselben Physiognomie sind der Ausdruck ein und derselben Stimmung,<br />

und sie alle wurzeln in jener scharf ablehnenden Haltung gegen unser System der Leibeigenschaft,<br />

von der die ganze Dichtung Nekrassows erfüllt ist. Beachten Sie, daß sich die verneinende<br />

Einstellung nicht allein auf die Leibeigenschaft oder überhaupt auf die feudale Lebensart<br />

beschränkt. Nein, der gebildete Rasnotschinze verneint und haßt die gesellschaftlichen<br />

Verhältnisse in ihrer Gesamtheit, wie sie auf dem Boden der Leibeigenschaft des Bauern erwachsen<br />

waren. Er ist dem Adel Feind; aber auch die Beamtenschaft schont er nicht. Er sieht<br />

im Beamten nur eine andere, gefräßigere und kriecherischere Spielart des Ausbeuters.<br />

Nekrassow brandmarkt ihn in seinem „Wiegenlied“ mit beißendem Sarkasmus:<br />

Einer sagt sie laut dem andern –<br />

Kunde, die erfreut:<br />

Vater muß ins Zuchthaus wandern,<br />

Zahllos gibt’s Beweise heut.<br />

Vater, ein Filou wie keiner,<br />

Weiß, was man da tut.<br />

Schlaf, solang du rein, du Kleiner!<br />

Eiaho, schlaf gut.<br />

Die Beamtenkarriere ist für den fortschrittlichen Rasnotschinzen nicht verlockend. Wenn<br />

schon Tschazki der Meinung war, daß die Beamten nichts als Kriecher seien, so erblickt jetzt<br />

die fortschrittliche „Intelligenz“ im Staatsdienst nichts als eine Schule völliger Demoralisierung:<br />

[709]<br />

Wirst Beamter; dein Gewand<br />

Birgt einen Pferdefuß,<br />

Morgens winkt dir meine Hand<br />

Einen Abschiedsgruß.<br />

Doch am Tage, liebster Heiner,<br />

Wird dein Rückgrat hohl...<br />

Schlaf, solang du schuldlos, Kleiner!<br />

Eiaho, schlaf wohl.<br />

Die politische Idee der Ordnung, die auf der Grundlage der Leibeigenschaft entstanden ist und<br />

leider auch heute noch nicht zu den historischen Erinnerungen gehört, bestand und besteht darin,<br />

daß das Gehirn des Landes die Bürokratie ist, die alle gesellschaftlichen Bedürfnisse kennt<br />

und sie in dem Maße befriedigt, wie sie diese als gesetzlich erkennt. Die Bürger des Landes<br />

haben dabei nichts anderes zu tun, als sich um ihre besonderen Bedürfnisse zu kümmern, ohne<br />

daß sie sich auch nur im geringsten in die öffentlichen Angelegenheiten einmischen, oder sich<br />

nur insoweit einmischen, als es die wohltätige und umsichtige Bürokratie erlaubt. Der Bewohner,<br />

in dem das Bewußtsein seiner staatsbürgerlichen Pflichten erwacht, wird bis auf den heutigen<br />

Tag als unzuverlässig angesehen und nicht selten an ganz „entlegene“ Orte verschickt. In<br />

einem Lande der unbeschränkten Macht der Bürokratie und grenzenloser Willkür der Verwaltung<br />

kann man Staatsbürger nicht brauchen. So ist es in der Theorie. In der Praxis ist es allerdings<br />

schon längst anders geworden, denn bereits seit Ende des 18. Jahrhunderts treten in Rußland<br />

Menschen auf, deren Bestrebungen zum fiskalischen Ideal in schroffem Gegensatz stehen.<br />

Nowikow, Radischtschew, die Dekabristen, Herzen, Ogarjow, Belinski, die Leute um Petraschewski<br />

gingen in ihren Bestrebungen weit über den engen Horizont ihrer häuslichen Interessen<br />

hinaus und wollten um keinen Preis „des Staatsbürgers hohe Würde schänden“. Allein,<br />

solange die alte Ordnung durch den unaufhaltsamen Gang der ökonomischen Entwicklung<br />

noch nicht ins Wanken geraten war, bildeten diese „seltsamen“ Menschen eine zwar überaus<br />

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