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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 21.07.2013<br />

[706] Bei Gogol werden die „Adelsnester“ natürlich bei weitem nicht in einem so anziehenden<br />

Lichte geschildert wie bei Tolstoi oder bei Turgenew. Aber während Gogol die Sobakewitschs,<br />

Nosdrews, Manilows usw. heftig geißelt, befaßt er sich doch auch sehr wenig mit<br />

Leuten wie Selifan, Petruschka, Onkel Mitja und anderen Vertretern des geknechteten Standes.<br />

Auch die Geistesverfassung des „getauften Eigentums“ kümmert ihn wenig.<br />

Bei Nekrassow ist es schon ganz anders. Alle seine bekannteren Werke sind der Darstellung<br />

der Leiden des Volkes gewidmet; und die Adelsnester erscheinen in diesen Werken in einem<br />

ganz und gar weniger erfreulichen Licht. Bereits in einer seiner frühesten Dichtungen, nämlich<br />

in dem Gedicht „Heimat“, von dem Belinski so begeistert war, sagt Nekrassow:<br />

Da tauchen sie, bekannte Stätten, vor mir auf:<br />

Wo meiner Väter nutzlos leerer Lebenslauf<br />

Dahinfloß in Gelagen und in eitler Prahlerei,<br />

In schmutziger Verderbtheit, Kleinmut, Tyrannei;<br />

Wo eine Sklavenschar verängstigt, zitternd bebte<br />

Und wie der letzte Köter ihres Herrn nicht lebte;<br />

Wo mir beschieden war, das Licht der Welt zu blicken,<br />

Und wo ich lernte, mich in Haß und Leid zu schicken,<br />

Und wo, weil ich dem Hasse schändlich wich,<br />

Als Gutsherr lebte lang’ auch ich...<br />

[707] Dieses Gedicht, das schon im Jahre 1846 geschrieben wurde, läßt uns klar den Standpunkt<br />

bestimmen, von dem aus Nekrassow unsere alte gutsherrliche Lebensart betrachtete. Obgleich<br />

selbst adliger Abstammung, findet sich bei ihm von einer Idealisierung des feudalen Lebens keine<br />

Spur: er betrachtet es mit den Augen des protestierenden Rasnotschinzen. Es hat ihm seine „negative<br />

Seite“ zugewandt, indem es vor ihm den Interessengegensatz der „edlen“ Ausbeuter und des<br />

ausgebeuteten „Haufens“ klar hervortreten läßt. Wenn der Dichter manchmal auch seiner Zugehörigkeit<br />

zum „edlen“ Stande gedenkt, so nur, weil er sich selbst Vorwürfe macht wegen der Zeiten<br />

moralischer Schwäche, in denen er, den „Haß“ in seinem Herzen schamhaft verbergend, selbst<br />

Gutsherr war. Die Eindrücke seiner Jugendjahre haben in seinem Herzen keine erfreulichen Erinnerungen<br />

hinterlassen, und sein Herz ist übervoll von Haß gegen die Leibeigenschaftsordnung:<br />

Nein, von meiner wildbewegten, rauhen Jugend<br />

Kann ich nicht freudige Erinnerung im Herzen tragen,<br />

Denn alles, was in Fesseln mich geschlagen<br />

Und wie ein Fluch auf mir geruht seit frühen Jahren –<br />

In meiner Heimat, hier hab ich’s zum erstenmal erfahren!<br />

Und schweift mein Blick voll Abscheu nun umher,<br />

So sieht er: jener dunkle Tannenwald, er ist nicht mehr,<br />

Der einst in sommerlicher Glut mir Schutz und Schirm gewährte;<br />

Verbrannt sind Feld und Flur; und müßig döst die Herde<br />

Und hängt die müden Köpfe über jenen trocknen Bach;<br />

Zur Seite neigt sich leer das düstre Haus, schon ohne Dach,<br />

Wo in des Bechers Klang und in des Sanges Fröhlichkeit<br />

Sich einst die Klage derer mischte, die bedrängt von Leid.<br />

Und der allein, der alles, alles grausam unterdrückte:<br />

Der atmete hier frei und lebte, wie es ihn beglückte....<br />

[708] Ich habe gesagt, wer sich für den ideellen und moralischen Gehalt der Epoche des gebildeten<br />

Rasnotschinzen interessiert, müßte sich unbedingt an die Dichtung Nekrassows<br />

wenden. Und in der Tat, das angeführte Fragment – und ich könnte eine Menge solcher<br />

Fragmente anführen – ist ein interessantes kleines Muster der geistigen Haltung der neuen,<br />

damals eben erst aufgekommenen gesellschaftlichen Schicht, und wenn wir diese nicht verstehen,<br />

werden wir weder den in der Folgezeit in so schroffer Form in Erscheinung tretenden<br />

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