18.09.2015 Views

erschien nennen menschenähnlichen

Zur PDF-Datei... - Max Stirner Archiv Leipzig

Zur PDF-Datei... - Max Stirner Archiv Leipzig

SHOW MORE
SHOW LESS
  • No tags were found...

You also want an ePaper? Increase the reach of your titles

YUMPU automatically turns print PDFs into web optimized ePapers that Google loves.

OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 08.07.2013<br />

ben mit verschiedenen Mitteln zu dem gleichen Ziel beigetragen: dem Wachsen der christlichen<br />

Religion und dem Ruhm Gottes.<br />

[8] Bossuet eröffnet seinem Schüler, auf Grund der Offenbarung des Heiligen Geistes im hl.<br />

Johannes, die dieser in der Apokalypse darlegte, das geheime Gericht Gottes über das Römische<br />

Reich und Rom selbst. Auch Bossuet spricht über all das in einer Weise, als seien die<br />

Wege des Herrn nicht mehr unerforschlich und – was besonders beachtenswert – als gebe das<br />

Studium der historischen Entwicklung ihm nur Gedanken von der Nichtigkeit des Menschenwerks<br />

ein. „Wenn Sie also, Monseigneur“, sagt er, „gleichsam in einem Augenblicke, ich will<br />

nicht sagen, Könige und Kaiser, sondern die großen Reiche, vor denen der Erdkreis zitterte,<br />

die alten und neuen Assyrer, die Meder, die Perser, die Griechen und die Römer nach und<br />

nach untergehen und sozusagen, übereinander einstürzen sehen: So lehrt Sie diese Zertrümmerung<br />

der Reiche, daß unter den Menschen nichts Beständiges, und die Ungewißheit und<br />

beständige Abwechslung das Schicksal aller menschlichen Dinge ist.“ („Discours“, S. 339) 1<br />

Dieser Pessimismus ist einer der bemerkenswertesten Züge der Geschichtsphilosophie<br />

Bossuets. Bei einem gründlichen Hineindenken muß man zugeben daß dieser Zug den<br />

Grundcharakter des Christentums richtig widerspiegelt. Und in der Tat, das Christentum verspricht<br />

dem Gläubigen Trost, ja, sogar viel Trost. Aber: wie tröstet es ihn? Es hält ihn von<br />

allem Weltlichen zurück und überzeugt ihn davon, daß auf der Welt alles nichtig ist und daß<br />

es für den Menschen nur nach dem Tode ein Glück gibt. (Es ist nicht verwunderlich, daß der<br />

Historiker immer wiederholt: Nichtigkeit der Nichtigkeiten.) Ich bitte Sie, meine geehrten<br />

Damen und Herren, diesen Zug festzuhalten; in den folgenden Ausführungen wird er uns<br />

weiteres Material zu einem Vergleich geben.<br />

Ein anderer bemerkenswerter Zug der Geschichtsphilosophie Bossuets ist der, daß er sich in<br />

seiner Darlegung der historischen Ereignisse nicht wie der hl. Augustinus damit zufriedengibt,<br />

sich auf den Willen Gottes zu berufen, sondern er richtet seine Aufmerksamkeit auf das,<br />

was er die besonderen Ursachen der Bewegung der Reiche nennt.<br />

„Denn“, sagt er, „eben der Gott, welcher die wunderbare Einrichtung und den ganzen Zusammenhang<br />

der Welt gemacht hat, der durch sich selbst allmächtig ist, hat auch der Ordnung<br />

wegen haben wollen, daß ein jeder Teil eines so großen Ganzen von dem anderen abhängen<br />

sollte. Eben dieser Gott wollte, daß in dem Laufe der menschlichen Dinge eine gewisse<br />

Folge und ein gewisses Verhältnis sein möchte: Ich will sagen, daß alle Menschen und<br />

Nationen Eigenschaften gehabt haben, die der Höhe gemäß waren, zu welcher sie Gott bestimmte.<br />

Es ist auch, gewisse außerordentliche Begebenheiten ausgenommen, in welchen<br />

Gott allein seinen [9] Finger zeigen wollte, keine einzige große Veränderung vorgefallen,<br />

welche nicht ihre Ursachen in den verflossenen Jahrhunderten gehabt hätte. Und wie in allen<br />

Begebenheiten etwas ist, das sie vorbereitet, das die Menschen bestimmt, sie zu unternehmen,<br />

und das sie vonstatten gehen läßt: So besteht die wahre Wissenschaft der Geschichte darinnen,<br />

daß man zu einer jeden Zeit die geheimen Einrichtungen, welche die Vorbereitungen zu<br />

den großen Veränderungen gewesen sind, und die wichtigen Umstände bemerke, welche Ursache<br />

wurden, daß sie sich zutrugen.“ („Discours“, S. 359/40.) 2<br />

Somit gibt es nach Bossuet in der Geschichte Ereignisse, in denen sich nur der Finger Gottes<br />

offenbart oder, mit anderen Worten, in die Gott unmittelbar eingreift. Solche Ereignisse sind<br />

gewissermaßen historische Wunder. Aber in den meisten Fällen werden die Ereignisse einer<br />

Periode bei einem gewöhnlichen Ablauf des Lebens der Völker von Ursachen bestimmt, die<br />

in der vorangegangenen Periode entstehen Die Aufgabe der echten Wissenschaft ist das Stu-<br />

1 [Bossuet, „Einleitung in die allgemeine Geschichte...“‚ S. 469.]<br />

2 [Bossuet „Einleitung in die allgemeine Geschichte...“, S. 470.]<br />

5

Hooray! Your file is uploaded and ready to be published.

Saved successfully!

Ooh no, something went wrong!