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erschien nennen menschenähnlichen

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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 21.07.2013<br />

[687] Diese Verherrlichung der Intelligenz des Kulaken seitens einfacher Bauern ist den besten<br />

Erforschern unseres Volkslebens ständig aufgefallen. Sie allein würde genügen, um zu<br />

beweisen, daß das Kulakentum nicht durch äußere, sondern durch innere Bedingungen des<br />

bäuerlichen Lebens entsteht. Äußere Bedingungen wären machtlos, wo innere Bedingungen<br />

es unmöglich machen, daß sich aus der bäuerlichen Dorfgemeinschaft Menschen absondern,<br />

die den bezeichnenden Namen Dorfparasiten tragen.<br />

Machtlos gegenüber dem Kulaken infolge ihres mangelnden Zusammenhalts, sind die Erzeuger<br />

der von uns untersuchten ökonomischen Entwicklungsperiode auch vollkommen machtlos<br />

gegenüber jenem Zentrum, das die allgemeinen Angelegenheiten des Gebietes verwaltet.<br />

Je größer dieses Gebiet, desto machtloser sind dem Zentrum gegenüber sowohl Einzelpersonen<br />

als auch ganze Gemeinschaften. An die Stelle der stolzen Unabhängigkeit des Wilden<br />

tritt die jämmerliche Unterwürfigkeit des versklavten Barbaren. Die ganze Nichtigkeit dieser<br />

Barbaren gegenüber dem Zentrum kommt in einer höchst abstoßenden äußeren, sozusagen<br />

zeremoniellen Form zum Ausdruck. In seinen Beziehungen zum Zentrum tritt dieser produzierende<br />

Barbar nicht als Mensch auf, sondern nur als jammervoll menschenähnliches Wesen.<br />

Er bezeichnet sich nicht mit vollen menschlichen Namen, sondern mit erniedrigenden<br />

Spitznamen, und seine Erniedrigung überträgt er auf alles, was zu ihm in einer gewissen engeren<br />

Beziehung steht: er hat keine Frau, sondern ein Weibchen, er hat keine Kinder, sondern<br />

Kindchen, schließlich hat er kein Vieh, sondern er hat Tierchen. Endlich gehört er selbst sich<br />

nicht mehr an – er wird Staatseigentum. Seine völlige Unfreiheit, seine feste Bindung an den<br />

Boden ist unter den gegebenen Bedingungen zur Befriedigung der wirtschaftlichen Bedürfnisse<br />

des Staates notwendig. Hätte man ihn nicht an den Boden gebunden, er würde nicht<br />

aufgehört haben, „allein herumzuziehen“, und dem Staate jegliche Möglichkeit eines festen<br />

Bestandes genommen haben. Der Staat gibt ihm Land, solange die Landzuteilung die einzige<br />

Möglichkeit ist, seine „Zahlungskraft“ aufrechtzuerhalten. Einmal an den Boden gebunden,<br />

verwächst er mit ihm wie die Schnecke mit ihrem Haus, wie die Pflanze mit dem Boden, aus<br />

dem sie ihre Nahrung saugt. Solange ein solcher Mensch im Zustand des geistigen Gleichgewichts<br />

ist, d. h., einfacher gesagt, einen gesunden Verstand und ein sicheres Gedächtnis hat,<br />

kommt es ihm gar nicht in den Sinn, sich mit Fragen zu befassen, die in keiner direkten Beziehung<br />

zum Produktionsprozeß stehen; der nimmt seine ganzen geistigen und physischen<br />

Kräfte in Anspruch. Er ackert, sät, kümmert sich um die Wirtschaft, beachtet, was die Obrigkeit<br />

von ihm verlangt, aber keineswegs und niemals will er etwas „ergründen“. Das [688] ist<br />

nicht seine Sache. Die Dinge „ergründen“ müssen Menschen, die im Zentrum leben, er aber<br />

ist verpflichtet, ihnen die ökonomische Möglichkeit der Ergründung der Dinge zu gewährleisten,<br />

d. h., er muß immerfort ackern, säen, sich um die Wirtschaft kümmern usw. Den Luxus<br />

des „Denkens“ können sich nur Erzeuger leisten, die an ihrem Verstande irgendwie Schaden<br />

gelitten haben. Auf der besagten Stufe der ökonomischen Entwicklung hat das Fehlen der<br />

Arbeitsteilung im Produktionsprozeß notwendigerweise die gesellschaftliche Arbeitsteilung<br />

zur Folge, bei der das „Denken“ auch für den Produzenten zu einer gänzlich überflüssigen<br />

und sogar schädlichen Beschäftigung wird.<br />

Man verweise nicht auf Menschen wie Bytschkow, wenn man beweisen will, daß auch Menschen<br />

mit gesundem Verstande unter der angegebenen wirtschaftlichen Ordnung die Dinge<br />

„ergründe“ konnten. Menschen wie Bytschkow „ergründen“ eigentlich nicht die sie umgebenden<br />

gesellschaftlichen Verhältnisse, sondern bekämpfen einige einzelne Mißstände Die<br />

Fragen, die in den Köpfen von Menschen wie Samola auftauchen, würden auch Leuten wie<br />

Bytschkow in der Mehrzahl der Fälle als sinnlos erscheinen. Die Bytschkows setzen sich<br />

nicht zum Ziel, ihre Mitmenschen voranzubringen, sie sind nur bemüht, ihnen ihre unbewegliche<br />

Existenz zu erleichtern. Die Bytschkows sind ehrliche Konservative; und auch diesen<br />

Konservativen geht es, wie wir gesehen haben, am Ende schlecht: sie müssen in andere „Be-<br />

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