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erschien nennen menschenähnlichen

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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 21.07.2013<br />

phantasien verzerrtes krankhaftes Denken von Menschen, die ganz und gar nicht gewohnt<br />

waren, über ihre eigenen gesellschaftlichen Verhältnisse nachzudenken. Solange solche Menschen<br />

mit diesen Verhältnissen zufrieden sind, glauben sie, die geringste Veränderung könne<br />

den Zorn des Himmels erregen; und wenn diese Verhältnisse sehr ungemütlich werden, verurteilen<br />

die Menschen sie im Namen des göttlichen Willens und warten auf ein Wunder wie<br />

das Erscheinen eines Engels, der mit flammendem Besen die gottlosen Verhältnisse hinwegfegt<br />

und neuen, Gott wohlgefälligeren Verhältnissen Platz macht.<br />

IV<br />

„Ackere, säe, kümmere dich um deine Wirtschaft, gib acht, was die Obrigkeit von dir verlangt,<br />

aber alles übrige laß sein“, so spricht der rechtschaffene wirtschaftlich tüchtige Bauer.<br />

Das Gebiet, in dem sich das bäuerliche Denken ohne Gefahr bewegen kann, beschränkt sich<br />

auf die bäuerliche Wirtschaft. Da sich der Bauer mit Landwirtschaft befaßt, tritt er in ein bestimmtes<br />

Verhältnis zum Boden, zum Dünger, zu den Arbeitswerkzeugen, zum Arbeitsvieh.<br />

Wir wollen zugeben, daß dieses Verhältnis überaus mannigfaltig und äußerst lehrreich ist.<br />

Aber es hat doch nichts mit den gegenseitigen Beziehungen der Menschen in der Gesellschaft<br />

gemein, und gerade diese Beziehungen bilden das Denken des Bürgers aus, gerade von ihnen<br />

hängt auch der größere oder geringere Umfang seiner Anschauungen, seiner Auffassung von<br />

der Gerechtigkeit, hängen seine gesellschaftlichen Interessen ab. Solange das Denken des<br />

Menschen innerhalb der Grenzen seiner Wirtschaft verweilt, so lange schläft dieses Denken<br />

einen Dornröschenschlaf, und wenn es unter dem Einfluß irgendwelcher außergewöhnlicher<br />

Umstände selbst erwacht, erwacht es nur zu Wahnvorstellungen. Die Naturalwirtschaft ist für<br />

die Entwicklung eines scharfen gesellschaftlichen Denkens und weiter gesellschaftlicher Interessen<br />

sehr ungünstig. Da sich jede ökonomische Zelle mit ihren eigenen Produkten begnügt,<br />

sind ihre Beziehungen zur übrigen Welt äußerst unkompliziert, sie kümmert sich gar<br />

nicht um das, was dort geschieht. Bei uns preist man gewöhnlich das Zusammengehörigkeitsgefühl,<br />

das den Bauern der Dorfgemeinschaft in hohem Grade eigen sein soll. Aber diese<br />

gewöhnliche Annahme ist unbegründet. In Wirklichkeit sind die Bauern der Dorfgemeinschaft<br />

die gleichen Individualisten wie Bauern mit eigener Wirtschaft. „Fiktiv zu einer Gemeinschaft<br />

zusammengeschlossen durch [685] die gegenseitige Haftung bei der Erfüllung der<br />

zahlreichen gemeinschaftlichen Verpflichtungen, die ihnen noch dazu größtenteils von außen<br />

auferlegt werden“, sagt Gl. I. Uspenski ganz richtig, „müssen sie, nicht als Mitglieder der<br />

Dorfgemeinschaft und Arbeiter des Staates, sondern einfach als Menschen, von denen jeder<br />

sich selbst überlassen ist, jeder für sich selbst aufkommen, jeder für sich selbst leiden, jeder<br />

sehen, wie er zurechtkommt, und wenn er das nicht kann – kaputtgehen“ („Aus dem Dorftagebuch“).<br />

Freilich bezieht sich diese Bemerkung Gl. I. Uspenskis auf die Bauern des Gouvernements<br />

Nowgorod, die schon lange unter den Bedingungen einer hochentwickelten Warenwirtschaft<br />

leben. Aus den Werken Naumows kann man jedoch ersehen, daß auch die sibirischen<br />

Bauern nicht mehr Solidarität üben und daß der arme Bauer auch dort seitens der<br />

Dorfgenossen wenig Mitgefühl findet. Der uns schon bekannte Bauer Jaschnik besaß nur<br />

einen einzigen armen Gaul – Peganka, der infolge ununterbrochener Arbeit und durch Futtermangel<br />

völlig heruntergekommen war. Oft blieb Peganka entkräftet auf dem Wege stehen,<br />

und dann half kein Antreiben und kein Schlagen: er war nicht von der Stelle zu bewegen. So<br />

blieb Jaschnik denn nichts anderes übrig, als seinen Wagen selbst zu schieben, worüber man<br />

im ganzen Dorf nicht wenig lachte.<br />

„‚Das sind aber Traber, schaut doch bloß mal an, wie die rennen, hi-hi-hi! Ob der Wagen<br />

nicht gleich in Trümmer geht, ha-ha-ha?‘<br />

‚Die beiden müssen schon ihre hundert Silberrubel kosten, wie?‘<br />

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