18.09.2015 Views

erschien nennen menschenähnlichen

Zur PDF-Datei... - Max Stirner Archiv Leipzig

Zur PDF-Datei... - Max Stirner Archiv Leipzig

SHOW MORE
SHOW LESS
  • No tags were found...

You also want an ePaper? Increase the reach of your titles

YUMPU automatically turns print PDFs into web optimized ePapers that Google loves.

OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 11.07.2013<br />

Sorge für die Pflanzenkost, die er freilich nicht entbehren kann, überläßt der primitive Jäger<br />

als ein niedriges Geschäft den Weibern: – er selbst schenkt den Pflanzen keine besondere<br />

Beachtung. Auf diese Weise erklärt es sich, daß man in seiner Ornamentik auch nicht eine<br />

Spur der Pflanzenmotive entdeckt, die sich in der Dekorationskunst der zivilisierten Völker<br />

so reich und anmutig entfaltet haben... Der Übergang vom Tier- zum Pflanzenornament ist in<br />

der Tat das Symbol des größten Fortschritts, der sich in der Kulturgeschichte vollzogen hat,<br />

des Überganges von der Jagd zum Ackerbau.“ 1<br />

[Die primitive Kunst widerspiegelt den Stand der Produktivkräfte so deutlich, daß man jetzt<br />

in Zweifelsfällen über den Zustand dieser Kräfte nach der Kunst urteilt. So zeichnen zum<br />

Beispiel die Buschmänner sehr gern und verhältnismäßig sehr gut Menschen und Tiere. In<br />

der von ihnen bewohnten Gegend stellen manche Höhlen wahre Gemäldegalerien dar. Aber<br />

Pflanzen zeichnet der Buschmann gar nicht. In der einzigen bekannten Ausnahme von dieser<br />

allgemeinen Regel, in der Darstellung des sich hinter dem Busch verbergenden Jägers, zeigt<br />

die ungeschickte Zeichnung des Busches besser als alles andere, wie ungewohnt dieses Sujet<br />

für den primitiven Künstler war. Auf dieser Grundlage schließen einige Ethnologen, daß die<br />

Buschmänner, wenn sie früher einmal auf einer etwas [66] höheren Kulturstufe gestanden<br />

haben als jetzt – was, allgemein gesprochen, nicht unmöglich ist –‚ doch niemals den Ackerbau<br />

gekannt haben.] 2<br />

Wenn das alles richtig ist, können wir die oben aus den Worten Darwins abgeleitete Schlußfolgerung<br />

jetzt auf folgende Weise abändern: Die psychologische Natur des primitiven Jägers<br />

bringt es mit sich, daß er überhaupt ästhetischen Geschmack und ästhetische Begriffe haben<br />

kann, aber der Stand seiner Produktivkräfte, seine Lebensweise als Jäger führt dazu, daß bei<br />

ihm gerade dieser ästhetische Geschmack und diese ästhetischen Begriffe sich herausbilden<br />

und nicht andere. Diese Schlußfolgerung, die ein helles Licht auf die Kunst der Jägerstämme<br />

wirft, ist zugleich ein weiterer Beweis für die materialistische Geschichtsbetrachtung.<br />

[Bei den zivilisierten Völkern übt die Produktionstechnik viel seltener einen unmittelbaren<br />

Einfluß auf die Kunst aus. Diese Tatsache, die scheinbar gegen die materialistische Geschichtsbetrachtung<br />

spricht, ist in Wirklichkeit ihre glänzende Bestätigung. Aber hierüber<br />

sprechen wir ein anderes Mal.]<br />

Ich gehe zu einem anderen psychologischen Gesetz über, das in der Geschichte der Kunst<br />

ebenfalls eine große Rolle gespielt hat und ebenfalls nicht die Aufmerksamkeit fand, die es<br />

verdient.<br />

Burton sagt, bei den ihm bekannten afrikanischen Negerstämmen sei das musikalische Gehör<br />

schlecht entwickelt, dafür haben sie aber einen außerordentlich feinen rhythmischen Sinn.<br />

„Der Ruderer singt im Takt zur Bewegung seiner Ruder, der Träger singt im Gehen, die Frau<br />

im Hause singt ein Lied, während sie die Körner mahlt.“ 3<br />

Dasselbe sagt Casalis von den von ihm gut studierten Kaffern des Stammes Basuto: Die<br />

Frauen dieses Stammes tragen an den Armen Metallreifen, die bei jeder ihrer Bewegungen<br />

erklingen. Um ihr Getreide auf den Handmühlen zu mahlen, tun sie sich häufig zusammen<br />

und begleiten die abgemessenen Bewegungen der Hände mit Gesang, der streng dem kadenzierten<br />

Klange entspricht, den ihre Reifen hervorbringen. 4 „Die Männer des gleichen Stammes<br />

stoßen, wenn sie Häute kneten, bei jeder ihrer Bewegungen einen seltsamen Laut aus“,<br />

1 [E. Grosse,] „Die Anfänge der Kunst“ [Freiburg i. B. und Leipzig 1894], S. 149.<br />

2 Siehe die interessante Einführung von Raoul Allier zu dem Buch von Frédéric Christol, „Au sud de l’Afrique“,<br />

Paris 1897.<br />

3 Burton, [„Voyage aux grands lacs de l’Afrique orientale“,] S. 602. Hier ist die Rede von einer Handmühle.<br />

4 „Les Bassoutos“ par E. Casalis, ancien missionnaire, Paris 1863, p. 150.<br />

18

Hooray! Your file is uploaded and ready to be published.

Saved successfully!

Ooh no, something went wrong!