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erschien nennen menschenähnlichen

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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 21.07.2013<br />

der Auseinandersetzung der Kulaken mit ihren Opfern gefallen, die uns heutzutage, mit geringen<br />

Ausnahmen, furchtbar weitschweifig und daher langweilig erscheinen: denn da werden<br />

die Kulaken an den Pranger gestellt, man nennt sie Räuber und Natternbrut usw. Die<br />

Menschen, die sich anschickten, nicht heute, aber morgen der Existenz der Natternbrut ein<br />

Ende zu bereiten, und die keinen entwickelten ästhetischen Geschmack besaßen, mußten solche<br />

Szenen mit Genuß lesen.<br />

N I. Naumow ist niemals weitergegangen als bis zur Verkündigung der elementarsten<br />

Menschlichkeit. Der Bauer hat auch eine Seele wie wir selbst 1 , der Zwangsarbeiter ist auch<br />

ein Mensch, unter den sogenannten Verbrechern sind viele Gemütskranke, die man heilen<br />

und nicht bestrafen mußte 2 – das sind die elementaren Wahrheiten, die er verkündet. Dazu ist<br />

hinzuzufügen, daß er keine wirklichen Lösungen der von ihm aufgeworfenen gesellschaftlichen<br />

Fragen vorschlägt, sondern daß er, im Gegenteil offene Bereitschaft zeigt, sich mit Palliativmitteln<br />

zu begnügen. 3 Hatte sich die für die Werke Naumows schwärmende fortschrittliche<br />

volks-[676]tümlerische Intelligenz der siebziger Jahre nur einmal ein klares Bild von<br />

den praktischen Zielen gemacht, die er mit seinen Werken verfolgte, sie hätte ihn als äußerst<br />

rückständigen Menschen betrachtet. Aber sie wollte diese Ziele gar nicht näher kennenlernen,<br />

sie interessierte sich überhaupt nicht dafür. Sie hatte ihr eigenes, unverrückbares Ziel. Es<br />

schien ihr, die Werke Naumows seien ein neuer und starker Beweis zugunsten dieses Zieles,<br />

und deshalb hat sie sie so eifrig gelesen, ohne nach ihrem künstlerischen Wert oder nach dem<br />

praktischen „Programm“ ihres Verfassers zu fragen.<br />

Die Verwirklichung ihres gesteckten Zieles setzte neben allem anderen eine gewaltige Eigeninitiative<br />

unseres Bauern voraus. Aber in den Werken Naumows findet sich auch nicht die<br />

geringste Andeutung einer solchen Eigeninitiative. Die von ihm geschilderten armen Leute<br />

verstehen nichts anderes, als sich auf die Schenkel zu klopfen und auszurufen: „Aaaach!“<br />

oder: „Wie kann der Herrgott das nur zulassen!“ Wenn aus ihrer Mitte auch manchmal Leute<br />

hervorgehen, die den Kopf nicht willig hinhalten und sich nicht ins Joch der Ausbeuter im<br />

Dorfe einspannen lassen und zum Widerstand aufrufen, so finden solche Leute bei ihnen<br />

doch keine Unterstützung. Die Erzählung „Bäuerliche Wahlen“ gibt ein anschauliches Bild<br />

dieses Verhältnisses der Dorfarmen zu ihren eigenen Vertretern. Der kluge und hartgesottene<br />

Bauer Jegor Semenowitsch Bytschkow zieht sich durch sein selbständiges Auftreten und<br />

durch sein energisches, kluges Eintreten für die Interessen der Dorfgemeinschaft den Haß der<br />

Kulaken, der Bezirksbehörde und sogar des Friedensrichters zu. So wird er bei den Bauern<br />

beliebt, und die wollen ihn gar zu ihrem Bezirksältesten wählen. Selbstverständlich mißfällt<br />

den Kulaken diese Absicht sehr, und im ganzen U...er Bezirk entbrennt ein erbitterter Kampf<br />

der Parteien. Je näher der Zeitpunkt der Wahlen heranrückt, desto heftiger fällt die Partei der<br />

Kulaken über den in der Dorfgemeinschaft beliebten Menschen her und greift zugleich zur<br />

Bestechung und Verleumdung. Neben anderen üblen Nachreden, die über Bytschkow verbreitet<br />

werden, geht auch das Gerücht um, er werde bald eingesperrt, denn er habe die Bauern<br />

überredet, sich wegen des ungesetzlichen Vorgehens des Friedensrichters und der Beamten<br />

der Landpolizei bei der obersten Behörde zu beschweren. Teils erraten die Bauern, daß dieses<br />

Gerücht von den Kulaken ausgestreut worden ist; anderseits müssen sie sich jedoch sagen,<br />

1 Siehe S. 74, Bd. I, wo dieser Gedanke durch den Mund des tugendhaften Gemeindevorstehers Flegont Dmitritsch<br />

ausgesprochen wird.<br />

2 Siehe die Erzählung „Der Viehhirt“ und die Szene „Das Spinngewebe“<br />

3 Manchmal bezeichnet er diese Palliative genauer. „In den ersten zwei Jahren nach ihrer Ankunft in Sibirien stehen<br />

die Umsiedler fast immer mittellos da und brauchen Hilfe; ihnen aber nur durch Getreidezuteilung helfen zu<br />

wollen, ist, meiner Meinung nach, ein ganz großer Fehler, der sich aus der Unkenntnis der bäuerlichen Lebensbedingungen<br />

in Sibirien ergibt. Der Umsiedler braucht vor allem Unterstützung, damit er sich ein Pferd, einen Wagen,<br />

einen Schlitten, Land- und Hausgerate und eine Hütte anschaffen kann“, usw. (Bd. II, S. 376).<br />

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