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erschien nennen menschenähnlichen

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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 21.07.2013<br />

Gewöhnlich beherrschen diese redseligen Gesprächspartner die Volkssprache ganz gut. 1 Leider<br />

kommen sie – mehr, als nötig ist – „vor Bestürzung ins Stottern“, und dann reden sie zum<br />

Beispiel so:<br />

„Wa – wa – warum hast du denn so einen Zorn auf mich? Ha – ha –hab’ ich dir denn was<br />

getan? I– i – ich mein’s doch nur gut mit dir“, usw. (Bd. II, S. 146).<br />

Sie werden zugeben, daß hier allzuviel „gestottert“ wird und daß der Held seine Bestürzung<br />

wie ein schlechter Kleinstadtkomödiant äußert.<br />

Und hier ist noch eine Besonderheit in der Sprechweise der redseligen Menschen, mit denen<br />

sich Naumow unterhält. Sie alle „sprechen ironisch“, „äußern ironisch“, „fragen ironisch“<br />

usw. Außer „Ironie“ und „Spott“ sagen sie nichts. Hier ein Beispiel:<br />

„‚Na was, du willst wohl deine Sünden abbüßen in diesem Starkästchen da?‘ fragte er ironisch.<br />

‚Jawohl, das will ich!‘ antwortete dieser.<br />

‚Treibst du diese Narretei schon lange?‘<br />

‚Seit mich der liebe Gott für meine Sünden gestraft hat.‘<br />

‚A–ah!‘ sagte er gedehnt, ‚du hast wohl so viel Sünden gehabt, he, he, he, daß du schon bei<br />

Lebzeiten brennen mußt?‘ fragte er spöttisch...“ (Bd. I, S. 290).<br />

Oder:<br />

„‚Sei so gut, Väterchen,... bleib’ ein bißchen da, setz’ dich her, vielleicht geht das Unwetter<br />

bald glücklich vorüber... Das braucht nicht schnell zu gehen, damit es bei mir da herinnen<br />

recht schön ist!‘ fuhr er ironisch fort“ (Bd. I, S. 30), usw.<br />

Dieses vom Verfasser stets sorgfältig vermerkte „ironisch“, das höchstens von „sarkastisch“<br />

oder „spöttisch“ abgelöst wird, langweilt auf die Dauer und regt einen auf, weil es nur die<br />

unpassende Wiederholung ein und derselben Redensart ist. Diesen Ärger hätte der Verfasser<br />

dem Leser leicht ersparen können, hätte er es ihm nur selbst überlassen, die Ironie zu vermerken,<br />

wenn sie in den Worten der handelnden Personen erklingt. Er hat es nicht getan. Er wollte<br />

ein Charakterbild des russischen Volkes [672] entwerfen. Nach seiner Überzeugung ist<br />

Ironie einer der hervorstechendsten Züge dieses Charakters, und so brachte er überall sein<br />

„ironisch“ und „sarkastisch“ an, ohne daß ihm auch nur der Gedanke gekommen wäre, es<br />

könne den Leser langweilen.<br />

Großes Künstlertalent hat Naumow nie besessen. Aber allein solche Skizze wie „Bei der Fähre“<br />

oder „Auktion im Dorf“ genügt, ihn für einen begabten Belletristen zu erklären. Für sein<br />

Künstlertalent sprechen auch viele einzelne Szenen und Seiten, die in den zwei Bänden seiner<br />

Werke verstreut sind. Naumow hat sein künstlerisches Talent jedoch nicht gepflegt und es<br />

nur selten zu voller Kraft sich entfalten lassen, denn er opferte es zumeist bewußt bestimmten<br />

publizistischen Zwecken. Das hat seinem Talent zwar sehr geschadet, die praktische Wirkung<br />

seiner Werke jedoch keineswegs gestört.<br />

1 Wir sagen: gewöhnlich, weil wir nicht sagen können: immer. Mitunter spricht der Bauer als Erzähler unsere gewöhnliche<br />

Schriftsprache, und nur ab und zu fügt er in seine Rede Wörter ein wie: „hörst du“, „verstehst du“ usw.,<br />

wie um den Leser daran zu erinnern, daß er, der Erzähler, kein „Intellektueller“ sei, sondern ein Bauer. Naumow<br />

kennt die Sprache der Bauern so gut, daß es ihm nichts ausgemacht hätte, diesen Mangel zu umgehen. Aber er<br />

merkt ihn offenbar gar nicht, denn an der Form seiner Werke ist ihm nichts gelegen.<br />

3

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