18.09.2015 Views

erschien nennen menschenähnlichen

Zur PDF-Datei... - Max Stirner Archiv Leipzig

Zur PDF-Datei... - Max Stirner Archiv Leipzig

SHOW MORE
SHOW LESS
  • No tags were found...

You also want an ePaper? Increase the reach of your titles

YUMPU automatically turns print PDFs into web optimized ePapers that Google loves.

OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 21.07.2013<br />

[668]<br />

N. I. Naumow*<br />

I.<br />

In den siebziger Jahren erfreute sich N. I. Naumow bei den führenden Schichten unserer<br />

volkstümlerischen (damals fortschrittlichsten) „Intelligenz“ ungemein großer Beliebtheit.<br />

Seine Werke wurden eifrig gelesen. Besonderen Erfolg hatte die Sammlung „Kraft bezwingt<br />

alles“. Jetzt haben sich die Zeiten natürlich geändert, und niemand wird sich mehr für die<br />

Werke Naumows so begeistern wie etwa vor zwanzig Jahren. Aber jeder, der an gewissen<br />

„verfluchten Fragen“ der Gegenwart nicht achtlos vorübergeht, wird sie auch jetzt noch mit<br />

Interesse und nicht ohne persönlichen Nutzen lesen; und solange man sich bei uns für die in<br />

vieler Beziehung wichtige und lehrreiche Epoche der siebziger Jahre interessiert, werden sie<br />

von großem historischen Interesse sein.<br />

Man rechnet N. I. Naumow gewöhnlich zu den volkstümlerischen Belletristen. Und das natürlich<br />

mit Recht, denn er ist erstens Belletrist und zweitens Volkstümler. Aber seine Belletristik<br />

hat einen besonderen Charakter. Wenn bei allen unseren volkstümlerischen Belletristen<br />

überhaupt das publizistische Element einen sehr breiten Raum einnimmt, so ist das eigentlich<br />

künstlerische Element bei Naumow diesem vollständig untergeordnet. Wir wollen noch mehr<br />

sagen: in der weitaus überwiegenden Mehrzahl der Fälle könnte man überhaupt nicht gut von<br />

einem künstlerischen Element in den Werken Naumows sprechen – es fehlt fast immer vollständig;<br />

Naumow war es sicherlich selten um künstlerisches Schaffen zu tun. Er hatte ein<br />

anderes Ziel. In seiner Skizze „Bergidyll“ bemerkt der wißbegierige und ziemlich belesene<br />

Kleinbürger Nikita Wassilewitsch Jeremin, den das Schicksal in eine Umgebung mit unkultivierten<br />

fremdstämmigen Menschen am Rande des Altaigebirges verschlagen hat, daß es gut<br />

wäre, über die furchtbare Ausbeutung, der die Nichtrussen von seiten der Kulaken und sogar<br />

ihrer nächsten Vorgesetzten unterworfen werden, „etwas in der Zeitung zu schreiben“. Aber<br />

er steht davon ab, weil er befürchtet, andere Schriftsteller, die auf der gesellschaftlichen Stufen-[669]leiter<br />

über ihm stehen, würden ihn vielleicht lächerlich machen. Zudem weiß er<br />

nicht, „wie er anfangen soll“. Auch Naumow wollte über die ihm recht wohl bekannte schwere<br />

Lage der russischen Bauern und der nicht-russischen Bevölkerung „schreiben“. Als<br />

Mensch von Bildung, der die Feder zu führen verstand, wußte er schon, „wie er anfangen<br />

sollte“, und den Spott anderer Schriftsteller fürchtete er nicht. So hat er denn auch eine Reihe<br />

von Erzählungen, „Studien“, Szenen, Skizzen u. a. geschrieben. Alle seine Werke sind in<br />

belletristischer Form gehalten, aber schon bei ganz flüchtigem Lesen merkt man, daß diese<br />

Form etwas Äußerliches, eine künstliche Zutat ist. Er wollte zum Beispiel die geradezu grausige<br />

und himmelschreiende Ausbeutung „beschreiben“, der die Goldgrubenarbeiter, wenn sie<br />

nach Beendigung ihrer sommerlichen Arbeit durch die sibirischen Dörfer zogen, ausgesetzt<br />

sind. Er hätte das natürlich in einem einfachen Artikel oder in einer Reihe von Artikeln tun<br />

können. Aber ihm schien, daß ein belletristisches Werk stärker auf den Leser einwirkt – und<br />

schrieb „Szenen“ mit dem allgemeinen Titel „Das Spinngewebe“. Einige dieser Szenen sind<br />

wirklich meisterhaft geschrieben und lassen im Verfasser ein unbestreitbares künstlerisches<br />

Talent erkennen. Als Beispiel hierfür wollen wir auf die Szene verweisen, wo dem angetrunkenen<br />

Arbeiter Jewsei im Laden des „Handel treibenden Bauern“ Iwan Matwjeïtsch Sachen<br />

aufgeschwätzt werden (Werke, Bd. I, S. 88-97). Aber das ist eine der glücklichen Ausnahmen.<br />

Die Mehrzahl der übrigen „Szenen“ aber, obgleich auch sie die Vertrautheit des Verfas-<br />

* Anmerkungen zu: W. I. Naumow (S. 668-692)<br />

Der Aufsatz wurde erstmals gedruckt in der Zeitschrift „Nowoje Slowo“ (1897, Nr. 8, Mai) unter dem Pseudonym<br />

N. Kamenski. Hier drucken wir den Text der Gesamtausgabe der Werke (Bd. X, S. 110-132).<br />

1

Hooray! Your file is uploaded and ready to be published.

Saved successfully!

Ooh no, something went wrong!