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erschien nennen menschenähnlichen

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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 21.07.2013<br />

sich allein und ohne alle Bindungen leben könne. Der Leser erinnert sich, daß der Gedanke,<br />

aus der Dorfgemeinschaft auszutreten, auch Iwan Jermolajewitsch selbst gekommen ist. Nur<br />

hatte dieser Gedanke bei ihm nicht den Anflug von Neid gegen den Wohlstand der Kulaken,<br />

wie das bei Minai der Fall war. Als Minai das Dorf verlassen hatte, gab er sich, empfänglich<br />

wie er war, dem Einfluß der „Zivilisation“ sicherlich noch mehr hin, und obwohl er nicht die<br />

Möglichkeit hatte, reich zu werden, seine Weltanschauung büßte natürlich noch mehr von<br />

ihrer „Harmonie“ ein.<br />

[665] Der geriebene und geschäftige Pjotr Sisow liebt seine Heimaterde vielleicht nicht weniger<br />

als Iwan Jermolajewitsch, aber er liebt sie auf andere Art: so, wie Kulaken und überhaupt<br />

Profitmenschen sie lieben. Nicht um ihrer selbst willen ist ihm die Heimaterde teuer,<br />

sondern weil sie einen bestimmten Tauschwert hat. Die „Macht der Erde“ tritt hier in den<br />

Hintergrund, und an ihre Stelle tritt die Macht des Kapitals.<br />

Aber sowohl Iwan Jermolajewitsch als auch Djoma und Pjotr Sisow und selbst der Phantast<br />

Minai, so ähnlich oder unähnlich sie untereinander auch sein mögen, weisen das gemeinsame<br />

Merkmal auf, daß in ihren Beziehungen zur Umwelt, mag sie für uns noch so anziehend oder<br />

abstoßend sein, nichts Krankhaftes ist.<br />

In den zerrütteten „bäuerlichen Nerven“ Gawrilos und in dem „kranken Bewohner“ Gorelow<br />

haben wir einen anderen Zug gesehen. Die Zersetzung der alten „kollektiven“ Lebensweise<br />

hat sich bei ihnen krankhaft ausgewirkt. Das erwachte Denken, dem die alte „kollektive“<br />

Weltanschauung nicht mehr Genüge tat, hat sich die Frage gestellt: „Weshalb, wozu?“, und<br />

hat keine befriedigende Antwort gefunden, da es sich in Unwissenheit und Widersprüche<br />

verstrickte. Aber es konnte sich mit seiner Schwäche nicht abfinden, wenn es sich dafür<br />

durch eine negative Einstellung zu der gesamten Umwelt rächte. Sowohl Gawrilo als auch<br />

Jegor Fedorytsch Gorelow entfliehen dem Dorfe, das sie so furchtbar gequält und zerrüttet<br />

hat. Die Umwelt des Dorfes kann in ihren Köpfen nicht die gesuchte „Ordnung“ schaffen.<br />

„Der freie Mensch“ Jegor Pankratow sucht nicht so sehr die „Ordnung“ im Denken als vielmehr<br />

die Möglichkeit, nach dem „Gesetz“ zu leben, ohne sich der Willkür der ihm übergeordneten<br />

Menschen zu unterwerfen. Über alles in der Welt schätzt er die Unabhängigkeit<br />

seiner sittlichen Persönlichkeit. Das ist sein Steckenpferd, das Bestreben, das sein Leben beherrscht.<br />

Unter dem Einfluß dieses Strebens, dem die Praxis des Lebens im Dorfe häufig widerspricht,<br />

wird er störrisch, ungesellig und sogar habsüchtig. In dieser originellen Persönlichkeit,<br />

die alle ihre Kräfte auf den Schutz ihrer Menschenwürde konzentrierte, muß man<br />

ebenfalls unbedingt ein Zeichen der neuen Zeit sehen.<br />

Der Vertreter der „kollektiven“ Lebensweise und der „kollektiven“ Weltanschauung, Iwan<br />

Jermolajewitsch, hatte keinerlei außergewöhnliche Bestrebungen; in seiner kollektiven, ausgeglichenen<br />

Seele war dafür überhaupt kein Platz. Erst mit der Zerstörung dieses spontan<br />

gewordenen kollektiven Gleichgewichts ergibt sich die Möglichkeit zur Entwicklung der<br />

Persönlichkeit mit ihren besonderen Geschmacksrichtungen, Neigungen und Bestrebungen.<br />

Der „gelehrte“ Onkel Iwan ging weiter als Iwan Jermolajewitsch. Er [666] wird, wie Gawrilo<br />

und Gorelow, ständig von verschiedenen Problemen gequält, von deren Existenz Iwan Jermolajewitsch<br />

nicht die geringste Vorstellung hatte. Aber seine Probleme bewegen sich in<br />

einer viel bestimmteren und völlig realen Richtung. Er geht an ihre Lösung richtig heran, er<br />

pocht an die Tür der Schule, er bewaffnet sich mit dem Buch. „Woher kommt der Bauer?<br />

Warum gibt es Bauern?“ Nun im Kopfe des Bauern solche Fragen einmal aufgetaucht sind,<br />

kann man mit völliger Bestimmtheit sagen, es ist mit der alten, kollektiven bäuerlichen Lebensweise<br />

am Ende. Allerdings hält Onkel Iwan nicht stand, er läßt ermattet die Arme sinken,<br />

wie es auch bei Jegor Pankratow der Fall war. Aber das zeigt wieder einmal, daß das Dorf<br />

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