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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 21.07.2013<br />

mengebrochen war. „Hast du denn gar kein Gewissen, du Teufelsbraten? Was für Satansmist<br />

hast du denn da vor!“ rief der Hüter der ländlichen Ordnung aus. Und dieser Anruf weckte in<br />

Iwan anscheinend wirklich das „Gewissen“, das alte, von den Vorfahren überkommene Gewissen<br />

des zweibeinigen Lasttieres, das zu ewiger Zwangsarbeit verurteilt ist. Er ging ohne<br />

Widerrede an die Arbeit.<br />

[662] Aber seit dieser Zeit war es aus mit dem neuen, wohlerworbenen, aus den Büchern geschöpften<br />

Gewissen.<br />

„Onkel Iwan wollte von Büchern und wunderbaren Gedanken nichts mehr wissen. Er dachte<br />

nur an die unbezahlten Steuern ... Er trug die Fünfkopeken-Büchlein nicht mehr im Stiefelschaft,<br />

er versenkte sie in einer Grube, die er im Garten eigens ausgehoben hatte ... Wenn ihn<br />

Trauer befiel, suchte er Semenytsch auf und ging zusammen mit ihm ins Wirtshaus. Nach<br />

einer halben oder höchstens einer Stunde kamen die beiden guten Freunde wieder heraus und<br />

hatten einen ausgewachsenen Rausch...“<br />

Onkel Iwan war dann auch dabei, als die ganze „Gesellschaft“ der Bewohner von Paraschkino,<br />

wie wir bereits wissen, aus dem Dorfe entfloh.<br />

IX<br />

In unserem Artikel über Gl. Uspenski haben wir dem von ihm dargestellten Bauern Iwan<br />

Jermolajewitsch den Arbeiter Michail Lunin, den Helden der Erzählung des Herrn Karonin<br />

„Von unten nach oben“, gegenübergestellt. Aus diesem Anlaß machte man uns, zusammen<br />

mit Herrn Karonin, gar sehr den Vorwurf der Übertreibung. Wir geben zu, daß unsere Gegenüberstellung<br />

zu schroff war. Michailo Lunin ist wirklich der echte Antipode Iwan Jermolajewitschs.<br />

Der eine kann sich das Leben ohne landwirtschaftliche Arbeit nicht vorstellen,<br />

und sein Denken kennt nichts anderes als Pflug, Egge, Schafe, Hühner, Enten, Kühe und<br />

dergleichen. Der andere hat weder einen Pflug noch eine Egge, noch Schafe, Hühner, Enten,<br />

Kühe und dergleichen, und er sehnt sich nicht nur nicht danach, er kann sich auch kaum vorstellen,<br />

wie Menschen das schwere Los des russischen Bauern ertragen können.<br />

Iwan Jermolajewitsch kann sich nicht recht denken, warum er eigentlich seinen Sohn<br />

Mischutka lesen und schreiben lernen lassen soll. Michailo Lunin lernt es von sich aus, er<br />

lernt „nicht nur mit Begeisterung, er hat eine förmliche Lernwut“. Die Ansichten des Iwan<br />

Jermolajewitsch sind von einer erstaunlichen „Harmonie“.<br />

Michailo Lunin mußte – wie jeder, der die Periode des Zwiespalts mit der ihn umgebenden<br />

Wirklichkeit erlebt hat – alle möglichen Zweifel und Schwankungen und folglich auch die<br />

damit verbundene Verwirrung der Begriffe durchmachen. Iwan Jermolajewitsch muß nur<br />

„furchtbar“ gähnen, wenn der „neue Mensch“ versucht, ihm „die neuen Anschauungen von<br />

den Dingen“ aufzupfropfen. Als Antwort auf alle Beweisgründe dieses Menschen „kann er<br />

nur das eine sagen: Anders geht es nicht“.<br />

[663] Aber hinter diesem „nur“ steht die ewige und unerschütterliche Natur selbst... Im Kopfe<br />

Iwan Jermolajewitschs ist für irgendwelche Probleme kein Platz. Michailo Lunin wird von<br />

„Problemen“ buchstäblich umlagert, und er kann den „Intellektuellen“, auch wenn der noch<br />

soviel Ausdauer hat, damit zu Tode quälen. Iwan Jermolajewitsch ist geneigt, den „Erschütterer<br />

der Grundlagen“ zu ergreifen und, gefesselt wie einen Dieb, den Behörden zu übergeben.<br />

Michailo Lunin selbst wird, wenn nicht heute, so doch morgen darangehen, die „Grundlagen“<br />

zu erschüttern. Iwan Jermolajewitsch richtet seinen Blick in die Vergangenheit. Er lebt oder<br />

möchte leben, wie auch seine „Vorfahren“ schon gelebt haben, die Leibeigenschaft allerdings<br />

ausgenommen. Michailo Lunin hört mit Schauder und Schrecken, was man über das Leben<br />

der „Vorfahren“ erzählt, und ist bestrebt, sich die Möglichkeit zu einem anderen, neuen Le-<br />

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