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erschien nennen menschenähnlichen

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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 21.07.2013<br />

Pankratow in sich gekehrt. Ilja Maly schwieg nur, wenn es nichts zu reden gab; Jegor<br />

Pankratow sprach nur dann, wenn es gar keine Möglichkeit gab, zu schweigen... Der eine war<br />

ständig verzweifelt, der andere tat so, als sei ihm alles gleichgültig“, usw. Aber der Hauptunterschied<br />

ihres Charakters bestand darin, daß „Ilja Maly lebte, wie er zu leben hatte und wie<br />

es sich für ihn schickte; Jegor Pankratow war bestrebt, nach Grundsätzen zu leben, ohne abzuwarten,<br />

ob ihm etwas erlaubt werde“.<br />

„Der eine lebte und dachte nicht, der andere dachte und lebte zunächst danach.“<br />

Ungeachtet aller Unähnlichkeit ihrer Charaktere verband Ilja Maly und Jegor Pankratow enge<br />

Freundschaft. Sie datierte aus jener Zeit, als Jegor dem Dorfältesten Iljas Kuh entriß, die wegen<br />

unbezahlter Steuern verkauft werden sollte. Dieses Auftreten Jegors, zu dem er sich übrigens<br />

durch die Erwägung veranlaßt sah, daß „im Gesetz nirgends etwas von der Kuh gesagt“<br />

ist, hatte den schüchternen und hilflosen Ilja mit Bewunderung erfüllt. Jegor kam ihm vor wie<br />

ein Held, und er ordnete sich ihm immer und überall bedingungslos unter, außer in solchen<br />

Fällen, wo sein Freund mit dem Gutsherrn oder mit den ländlichen Behörden in Konflikt geriet.<br />

Dann zog sich Ilja sofort feige zurück, Jegor jedoch gab nicht nach, und es geschah, daß er<br />

als Sieger hervorging, weil er immer bemüht blieb, sich auf das Gesetz zu berufen.<br />

Das Bestreben, nach dem Gesetz und nach den „Grundsätzen“ zu leben, wurde bei Jegor zu<br />

einer Manie. „Allen Verpflichtungen kam er regelmäßig nach, er zahlte pünktlich seine Steuern,<br />

und verachtend blickte er auf die armen Leute herab, die ihr Selbstbewußtsein völlig verloren<br />

hatten. Das Auspeitschen wollte ihm als etwas gar Seltsames erscheinen, und er sagte:<br />

Ich bin doch kein kleines Kind.“<br />

Bei all dem hatte er so dunkel die Empfindung, daß er keinen festen gesetzlichen Boden unter<br />

den Füßen hatte.<br />

[657] Er war sich über seine Rechte als „freier Mensch“ und selbständiger Bauer ganz im<br />

unklaren. Und obwohl er die neuen Einrichtungen auf dem Dorf unbedingt den alten Einrichtungen<br />

unter der Leibeigenschaft vorzog, konnten auch die neuen Einrichtungen seinen Bestrebungen<br />

nach einem selbständigen Leben nach Grundsätzen bei weitem nicht Genüge tun.<br />

„Im Innern, mein Lieber, ist man heutzutage frei, aber äußerlich nicht, das ist es!“ erwiderte<br />

er einmal seinem Freund, der behauptet hatte, daß man jetzt „ganz schön leben könne“.<br />

Jegor Pankratow konnte dieses bedrückende, wenn auch unklare Bewußtsein seiner Unfreiheit<br />

niemals loswerden. Niemals verließ ihn der Gedanke an die schimpfliche Behandlung,<br />

die dem Bauern drohte, wenn er „seinen Verpflichtungen gegen den Staat“ nicht regelmäßig<br />

nachkam. Er wurde geizig und habgierig, sparte und scharrte Geld zusammen, um nur rechtzeitig<br />

seine Steuern zahlen zu können. Aber es kam eine Zeit, da alle seine Bemühungen vergebens<br />

blieben.<br />

Zusammen mit Ilja mußte Jegor mehr als einmal beim benachbarten Gutsbesitzer als Taglöhner<br />

arbeiten, und diesem Gutsbesitzer pressierte es, wie vielen Vertretern des wackeren russischen<br />

Adels, niemals mit der Bezahlung seiner Schulden, namentlich der Schulden an seine Arbeiter.<br />

Jegor hatte deshalb schon früher mit dem Gutsbesitzer, der sich nicht darum kümmerte, heftige<br />

Zusammenstöße gehabt, aber in dem Fall, von dem die Rede ist, nahm die Sache eine besonders<br />

unangenehme Wendung. Er und sein Freund sollten Steuern bezahlen, aber der Gutsbesitzer<br />

weigerte sich, ihnen ihr Geld auszuzahlen, weil er, wie er sagte, keine Zeit hatte.<br />

Nun, er hatte tatsächlich Gäste, und er zechte mit ihnen schon mehrere Tage ohne Unterlaß.<br />

Unter den Gästen war auch der Landpolizeivorsteher.<br />

Jegor war in einer verzweifelten Lage. „Eine, wenn auch dunkle, Vorahnung davon hatte ihn<br />

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