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erschien nennen menschenähnlichen

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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 21.07.2013<br />

Der arme Iwan hatte natürlich von dem Schwindel nicht die geringste Ahnung.<br />

Was aber tat der Mir? Die Leute der Dorfgemeinschaft verprügelten Iwan, der doch gar<br />

nichts dafür konnte, aber Pjotr taten sie nicht das geringste zuleide.<br />

Pjotr sagte, daß das Schriftstück (d. h. der Kaufvertrag) „nicht für sie geschrieben sei“, und<br />

versprach, das Geld mit der Zeit zurückzuerstatten. Aber er zahlte es nicht zurück, und die<br />

Bauern von Beresowka redeten hin und redeten her, und schließlich gingen sie sogar hin und<br />

bearbeiteten [648] als Taglöhner Pjotr Timofejewitsch Sisows das Grundstück, das er ihnen<br />

gestohlen hatte. Iwan zog sich auch jetzt nicht vom Mir zurück. Er arbeitete mit den anderen<br />

und kochte begeistert für die „Gemeinschaft“ Grütze.<br />

Man kann das gänzliche Unvermögen der heutigen Dorfgemeinschaft im Kampfe gegen die<br />

sie zersetzenden Einwirkungen schwer in grelleren Farben schildern. Auf der einen Seite die<br />

Artelgrütze, auf der andern – der helle Verstand, die List, das „Gesetz“, das „Schriftstück“.<br />

VI<br />

Im übrigen ist der Sieg des Kulakentums im Kampf gegen die Dorfgemeinschaft ein Thema,<br />

das den Lesern schon längst wohl vertraut ist. Herr Karonin hätte uns nicht viel Neues sagen<br />

können, wenn er sich auf die Darstellung dieses Elements der inneren Zersetzung der „Stützen“<br />

beschränkt hätte. Aber in seinen Werken werden auch andere Elemente hervorgehoben,<br />

mit denen sich unsere volkstümlerischen Belletristen nur recht wenig oder überhaupt nicht<br />

befaßt haben. Und dabei muß sie der Forscher ganz besonders beachten.<br />

Nicht alle begabten Menschen des heutigen Dorfes werden Kulaken. Damit einer Kulak werde,<br />

ist ein gewisses Zusammenwirken der Umstände erforderlich, auf das nur eine kleine<br />

Minderheit rechnen kann. Die Mehrzahl muß sich zu dem historischen Prozeß, den das Dorf<br />

jetzt durchmacht, anders verhalten: entweder sie verlassen das Dorf, oder sie bleiben weiter<br />

dort und richten ihr Leben auf neuer Grundlage ein und vergessen die enge, organische Verbindung,<br />

die sie früher zu Mitgliedern einer Gemeinschaft zusammengeschlossen hatte.<br />

Der Individualismus, von allen Seiten ins Dorf eindringend, färbt entschieden auf alle Gefühle<br />

und Ideen des Bauern ab. Die Annahme wäre jedoch höchst verfehlt, sein Sieg werde nur<br />

durch lauter düstere Züge charakterisiert. Die historische Wirklichkeit zeichnet sich niemals<br />

durch eine derartige Einseitigkeit aus.<br />

Das Eindringen des Individualismus in das russische Dorf läßt solche Verstandes- und Charaktereigenschaften<br />

des Bauern lebendig werden, deren Entwicklung unter den alten Einrichtungen<br />

unmöglich und zugleich für die weitere fortschreitende Bewegung des Volkes notwendig<br />

war. Auch das Kulakentum bezeugt jetzt nicht selten das Erwachen eben dieser fortschrittlichen<br />

Eigenschaften des Volkscharakters. Unsere Worte mögen paradox erscheinen,<br />

aber sie sind es nicht im mindesten. Die volkstümlerische Belletristik hat wiederholt den Umstand<br />

hervorgehoben, daß der Bauer unserer Zeit gerade deshalb danach strebt, sich als Kulak<br />

viel Geld [649] zu machen, weil er im Geld das einzige Mittel zum Schutze seiner Menschenwürde<br />

sieht.<br />

Bei Slatowratski wird der Bauer Pjotr – wenn wir uns nicht irren, in den „Stützen“ – zum<br />

Kulaken, weil er sich davor zu bewahren suchte, daß man ihm immer ins „Gesicht spuckte“.<br />

Ähnliche Züge hat auch Gl. Uspenski mehr als einmal dargestellt. Und das ist sehr wichtig<br />

und sehr bezeichnend für unsere Zeit. Kulaken hat es im russischen Dorf schon immer gegeben,<br />

aber erst in jüngster Zeit treten im finstern Reich der Kulaken Figuren auf, die an ihr<br />

„Gesicht“ denken.<br />

Aber von noch größerer Bedeutung ist dies, daß nicht die Kulaken allein die Sorge um ihr<br />

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