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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 21.07.2013<br />

im Dorfe, auf dem Boden der alten „Grundlagen“, und des Lebens in der Fabrik, unter der<br />

Macht des Kapitalismus, erwacht war. „Mich bringen keine zehn Pferde zurück!“ sagt<br />

Djomas Dorfgenosse Potapow wahrscheinlich unter dem Einfluß der gleichen Empfindung.<br />

„Die kommen nicht mehr zurück, nein!“ versichert Iwan Iwanow dem Abgeordneten bezüglich<br />

der „herumziehenden Leute“, die das Dorf verlassen haben. Oder ist das alles nicht überzeugend?<br />

Wollen Sie vielleicht wieder von Übertreibungen sprechen? Aber dann müssen Sie<br />

die ganze volkstümlerische Belletristik beschuldigen, weil Sie bei Gl. Uspenski wie auch bei<br />

Slatowratski und sogar bei Reschetnikow ganz ähnliche Züge der heutigen seelischen Verfassung<br />

des Volkes finden können, wenn auch in weniger krasser Form. Betrachten Sie auch die<br />

statistischen Untersuchungsergebnisse – und Sie werden sehen, daß viele „besitzende“ Bauern<br />

ihren Pachtherren Geld zahlen, nur damit diese sie wenigstens für einige Zeit von ihrer<br />

Arbeit auf dem Lande entbinden. Doch wozu die Statistik! Nehmen Sie sich die volkstümlerische<br />

Binde von den Augen, sehen Sie sich das Leben der Arbeiter an, lernen Sie diese kennen<br />

– und Sie werden bei der großen Mehrzahl von ihnen in bezug auf das Dorf demselben „unguten<br />

Gefühl“ begegnen, das, wie Herr Karonin sagt, Djoma diesem gegenüber empfand.<br />

Der großen Mehrzahl von ihnen erscheinen das Dorf und die bäuerliche Gemeinschaft wirklich<br />

nur als „Ort der Qualen“. Es ist seltsam, wenn man sich angesichts dieser Tatsache<br />

grämt, daß die „Zivilisation“ bei uns ihren Einzug hält und daß der Volkswohlstand, der gar<br />

nicht vorhanden ist, durch die Fabriken zerstört wird. Bekanntlich macht man uns russischen<br />

Marxisten sehr oft und sehr gern den Vorwurf der Westlerei. Allgemein gesprochen, ehrt uns<br />

dieser Vorwurf, weil die besten Russen, die für die geistige Entwicklung unseres Landes<br />

Hervorragendes geleistet haben, entschiedene und unbedingte Anhänger des Westens gewesen<br />

sind. [640] Aber diesmal wollen wir unsere Gegner mit ihren eigenen Waffen bekämpfen<br />

und ihnen zeigen, daß in ihren Urteilen viel unbewußtes (und folglich unüberlegtes) Westlertum<br />

steckt.<br />

Wenn man bei uns von der Vernichtung des Wohlstandes des Volkes durch den Kapitalismus<br />

spricht, so ist dies eine Lehre, die aus dem Westen stammt. Aber im Westen hatte diese Lehre<br />

einen ganz großen Sinn, weil sie völlig der Wirklichkeit entsprach.<br />

Die Entwicklung des Kapitalismus in den meisten westeuropäischen Ländern hat das Niveau<br />

des Volkswohlstandes wirklich gesenkt. Vor Beginn der kapitalistischen Epoche, am Ausgang<br />

des Mittelalters, zeichneten sich die werktätigen Klassen sowohl in England als auch in<br />

Deutschland und sogar in Frankreich durch einen Grad von Wohlhabenheit aus, von dem sie<br />

in der heutigen Zeit weit entfernt sind. 1<br />

Daher haben die westeuropäischen Sozialisten recht, wenn sie sagen, der Kapitalismus habe<br />

bei ihnen die Verelendung des Volkes mit sich gebracht (obwohl sie hieraus, wohlgemerkt,<br />

nicht geschlossen haben, der Kapitalismus sei nicht notwendig gewesen). Aber läßt sich denn<br />

die heutige Lage der russischen Bauern mit der Lage auch nur der englischen werktätigen<br />

Klassen am Ausgange des Mittelalters gleichsetzen? Das sind doch Größen, die unendlich<br />

weit voneinander entfernt sind. Der englische Arbeiter kann sich manchmal an die materielle<br />

Lage seiner Vorfahren im Mittelalter als an etwas Gutes erinnern. Folgt hieraus nun, daß sich<br />

unser russischer Fabrikarbeiter von heute nach dem russischen Dorfe unserer Zeit zurücksehnen<br />

soll, in welchem er nichts anderes erfahren hat als physische und seelische Qualen?<br />

Hinsichtlich des Wohlstandes des Volkes hat die russische Geschichte einen anderen Verlauf<br />

1 Siehe Jansen, „Die allgemeinen Zustände des deutschen Volkes beim Ausgang des Mittelalters“, Freiburg 1881,<br />

Drittes Buch: Volkswirtschaft. – Über die Lage der englischen Arbeiter am Vorabend des endgültigen Sieges des<br />

Kapitalismus siehe Engels, „Die Lage der arbeitenden Klasse in England“; Marx, „Das Kapital“, und auch das<br />

Buch von Rogers, „Six Centuries of Work and Wages“.<br />

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