18.09.2015 Views

erschien nennen menschenähnlichen

Zur PDF-Datei... - Max Stirner Archiv Leipzig

Zur PDF-Datei... - Max Stirner Archiv Leipzig

SHOW MORE
SHOW LESS
  • No tags were found...

You also want an ePaper? Increase the reach of your titles

YUMPU automatically turns print PDFs into web optimized ePapers that Google loves.

OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 21.07.2013<br />

befriedigen konnten, sind sie dazu übergegangen, ihre Saatfelder, Baulichkeiten und ihre<br />

ganze übrige Wirtschaft zu veräußern, und machen sich unter dem Vorwande, Arbeit suchen<br />

zu wollen, mit ihren Familien auf den Weg, um in andere Gouvernements überzusiedeln...“<br />

„Der trostlose Zustand des Hungers“, so schrieb der gleiche Kreispolizeichef weiter, „hat bei<br />

den Bauern eine verzweifelte Stimmung erzeugt, aus der leicht Unruhen entstehen können...“<br />

Der Vize-Gouverneur von Smolensk, der Kreispolizeichef und der Gendarmerieoberst machten<br />

Jagd auf die sich nach allen Richtungen zerstreuenden Bauern und [638] brachten sie<br />

wieder an ihren Wohnort zurück, aber all ihr Zureden war vergeblich. „Die Bauern des<br />

Amtsbezirks Inkowo erklärten dem Vize-Gouverneur, daß sie auf jeden Fall wegziehen würden<br />

und daß es immer noch besser sei, wenn man sie wieder zurückbringe und einsperre, als<br />

wenn sie zu Hause verhungern müßten.“<br />

Wir haben den Tatbestand so wiedergegeben, wie er von der Zeitung „Moskwa“ geschildert<br />

wurde. Nun sagen Sie, ist die Erklärung der Smolensker Bauern nicht das gleiche wie das<br />

„Wir laufen davon“ bei Karonin? Und die Jagd, die der Vize-Gouverneur, der Kreispolizeichef<br />

und der Gendarmerieoffizier gegen sie veranstalteten, das ist doch etwas noch Grandioseres<br />

als die Schilderung bei Karonin, wo der Landgendarm den Bewohnern von Paraschkino<br />

nachsetzte. Wie kann man da unseren Autor noch der Übertreibung beschuldigen!<br />

IV<br />

Wenn unsere volkstümlerische „Intelligenz“ über die sogenannten Stützen des Volkslebens<br />

urteilt, läßt sie die realen, historischen Bedingungen außer acht, unter denen die Entwicklung<br />

dieser „Stützen“ vor sich gegangen ist.<br />

Selbst wenn man nicht bezweifelt, daß die ländliche Dorfgemeinschaft eine ganz schöne Sache<br />

ist, müßte man daran denken, daß die Geschichte oft mit den besten Dingen ein sehr<br />

schlimmes Spiel treibt und daß unter ihrem Einfluß aus Vernunft sehr häufig Unsinn und aus<br />

Wohltat Plage wird. Das wußte schon Goethe sehr gut. Es genügt nicht, wenn man aus Prinzip<br />

für die Dorfgemeinschaft ist, man muß sich fragen, was für ein Leben die russischen Mitglieder<br />

der Dorfgemeinschaft unserer Zeit in der heutigen russischen Dorfgemeinschaft führen<br />

und ob es nicht besser wäre, wenn es diese Dorfgemeinschaft von heute – mit all ihren<br />

heutigen, wirklichen und nicht erdichteten Bedingungen – nicht mehr gäbe? Wir haben gesehen,<br />

daß die Dorfbewohner von Paraschkino diese Frage durch die bloße Tatsache ihrer<br />

Flucht aus dem Dorfe bejaht haben. Und sie hatten recht, weil das Dorf zu ihrem „Grabe“<br />

geworden war. Wir fürchten immer, daß die „Zivilisation“, d. h. der Kapitalismus, ins Dorf<br />

eindringe, der, wie es heißt, den Wohlstand des Volkes zerstören wird. Aber erstens ist die<br />

„Zivilisation“ in Gestalt der „vielen Jepischkas“, d. h. in Gestalt der Vertreter des Wucherkapitals,<br />

ungeachtet all unserer Klagen, bereits ins Dorf eingedrungen, und zweitens sollte man<br />

endlich berücksichtigen, daß es nicht möglich ist, einen Wohlstand zu zerstören, den es nicht<br />

gibt. Was hat Djoma verloren, als er sich der Macht [639] der „Sümpfe“ entzog und unter die<br />

Macht der Maschine begab? Sie erinnern sich: „So erbärmlich seine Lebensverhältnisse als<br />

Fabrikarbeiter auch sein mochten, so kam er doch, wenn er sie mit den Verhältnissen verglich,<br />

unter denen er im Dorfe zu leben gezwungen war, zu dem Schlusse, daß man im Mir<br />

einfach nicht leben konnte... Mit dem Essen war es bei ihm jetzt auch besser, d. h., er hatte<br />

die Gewißheit, auch am andern Tag etwas zu essen zu haben, während er das zu Hause nicht<br />

vorher sagen konnte... Was aber das Wichtigste war: außerhalb des Dorfes fügte man ihm<br />

keine Kränkungen zu, das Dorf jedoch mutete ihm eine Reihe der erniedrigendsten Kränkungen<br />

zu.“<br />

Sie werden sich auch erinnern, daß bei dem Gedanken an das Dorf Djomas „Selbstgefühl als<br />

Mensch litt, das in ihm durch den Vergleich des Lebens hier und anderswo“, d. h. des Lebens<br />

14

Hooray! Your file is uploaded and ready to be published.

Saved successfully!

Ooh no, something went wrong!