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erschien nennen menschenähnlichen

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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 11.07.2013<br />

zeigt sie uns anschaulich, in welchem Maße die psychologischen Gesetze als Schlüssel zur<br />

Erklärung der Geschichte der Ideologie überhaupt und der Geschichte der Kunst im besonderen<br />

dienen können.<br />

In der Psychologie der Menschen des 17. Jahrhunderts spielte das Prinzip der Antithese dieselbe<br />

Rolle wie in der Psychologie unserer Zeitgenossen. Warum ist unser ästhetischer Geschmack<br />

dem Geschmack der Menschen des 17. Jahrhunderts entgegengesetzt?<br />

Weil wir uns in einer ganz anderen Lage befinden. Wir kommen also zu der uns schon bekannten<br />

Schlußfolgerung: Die psychologische Natur des Menschen bewirkt, daß er ästhetische<br />

Begriffe haben kann und daß das Darwinsche Prinzip der Antithese (der Hegelsche<br />

„Widerspruch“) eine äußerst wichtige, bisher nicht genügend gewürdigte Rolle im Mechanismus<br />

dieser Begriffe spielt. Warum aber ein bestimmter gesellschaftlicher Mensch gerade<br />

diese und nicht andere Geschmacksrichtungen hat, warum ihm gerade diese und nicht andere<br />

Gegenstände gefallen, hängt von den ihn umgebenden Verhältnissen ab. Das von Taine angeführte<br />

Beispiel zeigt auch anschaulich, welchen Charakter diese Bedingungen haben: es läßt<br />

ersichtlich werden, daß es gesellschaftliche Bedingungen sind, deren Gesamtheit bestimmt<br />

wird – ich drücke mich einstweilen unbestimmt aus – durch den Gang der Entwicklung der<br />

menschlichen Kultur. 1<br />

Hier sehe ich einen Einwand von Ihrer Seite voraus. Sie werden sagen: Angenommen, das<br />

von Taine angeführte Beispiel weise auf die gesellschaftlichen Bedingungen als auf die Ursache<br />

hin, die die grundlegenden Gesetze unserer Psychologie wirksam werden läßt; angenommen,<br />

daß [62] darauf auch die Beispiele hinweisen, die Sie selbst angeführt haben; lassen<br />

sich aber nicht Beispiele bringen, die etwas ganz anderes beweisen? Sind denn nicht Beispiele<br />

bekannt, die beweisen, daß die Gesetze unserer Psychologie unter dem Einfluß der uns<br />

umgebenden Natur in Tätigkeit treten?<br />

1 Schon auf den niedrigsten Stufen der Kultur wird die Wirkung des psychologischen Prinzips des Widerspruchs<br />

durch die Teilung der Arbeit zwischen Mann und Frau hervorgerufen. Nach den Worten W. I. Jochelsons ist die<br />

„Gegenüberstellung von Frau und Mann als zweier besonderer Gruppen typisch für die urgesellschaftliche Ordnung<br />

der Jukagiren. Das tritt auch in den Spielen zutage, in denen die Männer und die Frauen zwei feindliche<br />

Parteien bilden; in der Sprache, in der einige Laute von den Frauen anders ausgesprochen werden als von den<br />

Männern; darin, daß für die Frauen die Verwandtschaft mütterlicherseits wichtiger ist, für die Männer aber die<br />

Verwandtschaft väterlicherseits; in jener Spezialisierung der Beschäftigungen zwischen den Geschlechtern, die<br />

für jedes von ihnen ein besonderes, selbständiges Milieu der Betätigung geschaffen hat“ („Im Gebiet der Flüsse<br />

Jassatschna und Kirkidon. Die alte jukagirische Lebensweise und ihr Schrifttum“, St. Petersburg 1898, S. 5).<br />

Herr Jochelson scheint hier nicht zu bemerken, daß die Spezialisierung der Beschäftigungen zwischen den Geschlechtern<br />

eben die Ursache der von ihm angegebenen Gegenüberstellung war, und nicht umgekehrt.<br />

Daß sich diese Gegenüberstellung im Schmuck der verschiedenen Geschlechter widerspiegelt, wird von vielen<br />

Reisenden bezeugt. Zum Beispiel: „Hier wie überall ist das starke Geschlecht sorgsam bemüht, sich von dem<br />

anderen zu unterscheiden, [62] und der männliche Putz unterscheidet sich sehr stark von dem weiblichen“<br />

(Schweinfurth, „Au cœur de l’Afrique“, II, S. 281), „und die Männer (vom Stamme Niamniam) verwenden viel<br />

Mühe auf die Frisur ihrer Haare, während die Haartracht der Frauen ganz einfach und schlicht ist“ (ibid., II, p.<br />

5). [Wir führen die zitierten Stellen aus einer deutschen Ausgabe („Im Herzen von Afrika. Reisen und Entdekkungen<br />

im Centralen Äquatorial-Afrika während der Jahre 1868-1871“ von Dr. Georg Schweinfurth, Leipzig<br />

1874) an: „Wie bei den meisten Völkern der Erde, verlangt auch hier das männliche Geschlecht ganz gesondert<br />

von dem weiblichen besprochen zu werden, da die Gewohnheiten beider in dieser Hinsicht weit auseinandergehen<br />

(S. 320/321). Auf den Haarputz verwenden die Niamniam, und unter ihnen vorzugsweise die Männer (denn<br />

das weibliche Geschlecht sieht sich nach der Anschauungsweise der Naturvölker durch Betrachtung der dasselbe<br />

im Tierreiche auszeichnenden Einfachheit und Schmucklosigkeit zu einer bescheidenen Anspruchslosigkeit<br />

aufgefordert), alle erdenkliche Sorgfalt... (S. 718).] – Ober den Einfluß der Arbeitsteilung zwischen Mann und<br />

Frau auf die Tänze siehe bei von den Steinen, „Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens“, Berlin 1894, S. 298.<br />

Man kann mit Sicherheit sagen, daß beim Mann das Bestreben, sich der Frau entgegenzustellen, früher auftritt<br />

als das Bestreben, sich den niederen Tieren gegenüberzustellen. Erhalten da nicht die grundlegenden Eigenschaften<br />

der psychologischen Natur des Menschen einen recht paradoxen Ausdruck?<br />

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