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erschien nennen menschenähnlichen

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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 21.07.2013<br />

solche Vorwürfe bringen, das Milieu gar nicht kennen, von dem die Erzählung „Von unten<br />

nach oben“ handelt, und daß sie allein schon aus diesem Grunde keine kompetenten Kritiker<br />

dieser Erzählung sein können. „Das hat es früher nicht gegeben!“ „Die Alten können sich an so<br />

etwas nicht erinnern“ – das ist es, worauf eigentlich alle Beweise der Ankläger hinauslaufen.<br />

Diese guten Leute haben gar keine Ahnung davon, daß sich die von ihnen als Autorität angesehenen<br />

„Alten“ überhaupt an vieles „nicht erinnern“, da sie das Tuch der Vorurteile, das sie vor<br />

den Augen trugen, daran gehindert hat, die sie umgebende Wirklichkeit zu sehen.<br />

Wir bitten zu beachten, daß wir durchaus nicht die Absicht haben, die Skizzen und Erzählungen<br />

des Herrn Karonin als Muster von Kunstwerken hinzustellen. Davon sind sie – wie übrigens<br />

auch die Werke aller unserer Belletristen aus dem Lager der Volkstümler – weit entfernt.<br />

In allen Werken dieser Richtung kann die ästhetische Kritik eine große Zahl von Mängeln<br />

feststellen.<br />

Sie sind alle ein bißchen unbeholfen, unordentlich, zerzaust und zerrupft. Von diesen allgemeinen<br />

Mängeln sind auch die Erzählungen des Herrn Karonin nicht frei.<br />

Wir wollen bloß mal seine Ausdrucksweise erwähnen.<br />

Nach den ersten Worten unseres Autors hat einer der Helden (nämlich Fomitsch) manchmal<br />

im Gespräch „solch ein Ding vom Stapel gelassen“, worüber er sich selbst hernach geschämt<br />

hat. So kommt es auch bei Herrn Karonin vor, daß er ein „Ding vom Stapel“ läßt, und wenn<br />

es ihn selbst [624] nicht weiter geniert, ist es doch ganz dazu angetan, manche in jeder Beziehung<br />

anständige Leserin in Verlegenheit zu bringen. Hier darf man nichts verheimlichen:<br />

Karonins Ausdrucksweise ist so recht nach Rasnotschinzenart. Und trotz allem steckt, sehen<br />

Sie, in dieser etwas rohen Rasnotschinzen-Sprache, in der sich Bildlichkeit mit völlig ungezwungenem<br />

Lakonismus vereint, stellenweise ungeheuer viel Ausdruckskraft. Ab und zu<br />

ersetzt ein bestimmter Ausdruck, ein einziges Verbum, zum Beispiel „das Leben kroch dahin“<br />

oder „damals schlug er sich sogar sehr wacker“, eine ganze Charakteristik. Ist das kein<br />

Vorzug? Und soll man nicht angesichts eines solchen Vorzugs über sprachliche „Entgleisungen“<br />

hinwegsehen?<br />

Schließlich, wir wiederholen, besteht der Hauptwert der Skizzen und Erzählungen Karonins<br />

darin, daß sich in ihnen der wichtigste der gesellschaftlichen Prozesse unserer Zeit widerspiegelt:<br />

die Zersetzung der alten Einrichtungen des Dorfes, das Verschwinden der bäuerlichen<br />

Unmittelbarkeit, das Heraustreten des Volkes aus der Kindheitsperiode seiner Entwicklung,<br />

das Aufkommen neuer Gefühle, neuer Anschauungen über die Dinge und neuer geistiger<br />

Bedürfnisse. Ein gewöhnlicher Lieferant belletristischer Erzeugnisse wäre niemals auf ein<br />

so tiefes und dankbares Thema verfallen.<br />

II<br />

Wenn der Leser diesen besagten Prozeß näher kennenlernen will, so laden wir ihn ein, sich<br />

zusammen mit uns den Inhalt einiger Werke des Herrn Karonin ins Gedächtnis zurückzurufen.<br />

Da die Zeit ihres Erscheinens für uns keine Bedeutung hat, können wir die zeitliche Reihenfolge<br />

außer acht lassen.<br />

Beginnen wir mit der Erzählung „Djoma kommt zum letztenmal“.<br />

Eine Dorfversammlung. Alle anwesenden Bewohner des Dorfes Paraschkino sind in fürchterlicher<br />

Aufregung. Sie streiten, schreien, schimpfen.<br />

Wenn man ihre verworrenen, zusammenhanglosen Reden hört, kann man sich gar nicht vorstellen,<br />

wie die Ansichten dieser Menschen einst durch ihre „Harmonie“ auf die Herren<br />

Volkstümler Eindruck machen konnten.<br />

4

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