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erschien nennen menschenähnlichen

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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 20.07.2013<br />

wahnsinnig oder als Phantasten verlachen. Sie werden sagen, Marx’ Lehre könne auf russischem<br />

Boden nicht Fuß fassen. Aber was ist denn der Marxismus anderes als die neue Phase<br />

eben jener geistigen Entwicklung, der wir einen Belinski verdanken? Sollte denn das, was in<br />

den dreißiger und vierziger Jahren auf uns anwendbar war, in der Gegenwart nicht mehr anwendbar<br />

sein? Aber erlauben Sie, wird man uns sagen, man sieht sofort, daß Sie im Ausland<br />

leben: Sie haben nicht an die Zensur gedacht. Belinski hat nur literarische Fragen berührt, aber<br />

der Marxismus unserer Zeit ist, offiziell gesprochen, die „schädliche Lehre des Kommunismus“.<br />

Das stimmt, anderseits aber erwarten wir doch von unseren legalen Literaten gar nicht,<br />

daß sie die letzten Schlußfolgerungen des Marxismus verkünden, daß sie die Rolle eines Bebel<br />

oder Liebknecht übernehmen. Wir raten ihnen nur, sich die Grundthesen dieser Lehre anzueignen.<br />

Und das ist etwas ganz anderes. Die letzten Schlußfolgerungen des Marxismus stellen eine<br />

extreme revolutionäre soziale und politische Lehre dar, während die strengste und dümmste<br />

Zensur anerkennen muß, daß ihre obersten Voraussetzungen [618] objektive wissenschaftliche<br />

Thesen sind. Eignen Sie sich diese Thesen recht gut an, und Sie werden über die harmlosesten,<br />

rein literarischen Fragen ganz anders schreiben, als Sie es gegenwärtig tun. Ach ja, meine Herren,<br />

man kann nicht an allem der Zensur die Schuld geben, das alte Weib kann doch wirklich<br />

nichts dafür, daß ihr von der Volkstümlerei nicht loskommt! Volkstümler werden die Menschen<br />

nicht dank der Zensur, sondern sogar trotz der Zensur. Schließlich könnt ihr euch, wenn<br />

euch die Zensur im Wege steht, im Ausland niederlassen, wo ihr tun könnt, was ihr wollt.<br />

Denkt an das Beispiel Herzens, erinnert euch an all die vielen Beispiele der Schriftsteller in<br />

Westeuropa, die es verstanden haben, über das Gitter der Zensur hinwegzuspringen und die<br />

öffentliche Meinung ihres Landes vom Ausland her wachzurütteln.<br />

Aber wir kennen alle Entgegnungen unserer Volkstümler im voraus. Gibt es bei uns viele<br />

Arbeiter? fragen sie uns immer wieder. Viele, meine Herren, weit mehr, als Sie denken! In<br />

diesem Falle kann man ohne jede Übertreibung mit den Worten des Evangeliums sagen: „Die<br />

Ernte ist groß, aber wenige sind der Arbeiter.“ 1* Die Nachfrage ist viel größer als das Angebot,<br />

zum Lichte strebende Arbeiter gibt es viel mehr als gebildete Rasnotschinzen, die ihnen<br />

das Licht bringen können!<br />

Sie meinen immer, daß wir die Entwicklung des Kapitalismus in Rußland furchtbar übertreiben.<br />

Sie glauben, daß wir Sozialdemokraten an diese Frage mit einer vorgefaßten Meinung<br />

herangehen. Hören Sie einen Mann, der mit allen sozialdemokratischen „falschen Lehren“<br />

nichts zu tun hat, hören Sie den Professor Mendelejew. „Man sagt“, so urteilt der berühmte<br />

Chemiker, „von 100 Millionen leben bei uns nur 10 Millionen in den Städten, und diese verbrauchen<br />

weiß Gott nicht viel. Die übrigen 90 Millionen begnügen sich mit ihren häuslichen<br />

Produkten, und Brot, eine Hütte, Holz zum Heizen, Abgaben machen alles das aus, was sie<br />

erarbeiten und erstreben – von dem, was in Werken und Fabriken hergestellt wird, brauchen<br />

sie nichts. Hier liegt ein Fehler und eine Zurückdatierung vor. So ist es einmal, vor nicht langer<br />

Zeit gewesen; aber jetzt ist es nicht mehr so, und bald wird es allen klarwerden, daß es so<br />

nicht bleiben kann... Die Verhältnisse in Rußland sind jetzt so gestaltet, daß es daraus nur<br />

einen einzigen Ausweg zur richtigen Zivilisation hin gibt, und zwar in der Entwicklung der<br />

Fabrik- und Werkindustrie.“ 2<br />

Wenn dem so ist, dann gibt es bei uns auch in politischem Sinne nur einen einzigen „richtigen<br />

Ausweg zur Zivilisation hin“: er besteht in der Zusammenfassung und Organisierung der<br />

Arbeiterklasse zu einer politischen Partei.<br />

1* Evangelium des Matthäus, Kap. 9, Vers 37.<br />

2 „Briefe über die Fabriken“; „Now“, 1885, Nr. 10, S. 246; Nr. 21, S. 34/35.<br />

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