erschien nennen menschenähnlichen
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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 20.07.2013 Arbeit gibt, daß es außer den Menschen, die der „Macht der Erde“ unterliegen, Menschen gibt, die mit Hilfe der Maschine arbeiten. Die industrielle Arbeit gibt dem Arbeiter ein ebenso deutliches Gepräge wie die landwirtschaftliche Arbeit dem Bauern. Die Arbeit bedingt den ganzen Lebensstil wie auch alle Anschauungen und Gewohnheiten des arbeitenden Menschen; da aber die Schwerindustrie einer viel höheren Stufe der wirtschaftlichen Entwicklung entspricht, ist es nicht verwunderlich, daß auch die Moral des proletarischen Industriearbeiters einen größeren Rahmen hat als die bäuerliche Moral. Gl. Uspenski beklagt sich, daß die „Zivilisation“ zu uns komme und gleicht damit jenen utopischen Sozialisten, die, wie Marx bemerkt, in dem Schlimmen nur das Schlimme sahen und nicht seine zerstörende Eigenschaft bemerkten, die die alte Gesellschaft stürzen wird. In unabwendbarer Logik der Dinge werden die durch die „Zivilisation“ gebildeten neuen Menschen die zuverlässigsten Diener des russischen Fortschritts sein. 1 Diese neuen Menschen haben mit den assyrischen oder russischen Iwan Jermolajewitschs nicht die geringste Ähnlichkeit. Weder Michailo Lunin noch Fomitsch noch auch der unglückliche, vom Leben zermürbte Woronow werden die Umstürzler den Behörden ausliefern, und sie werden diese nicht niederknüppeln, wenn sie zur Waffe greifen. Sie werden nicht sagen: „Ich kann nichts dafür, die Obrigkeit hat es so befohlen, und dann schlag ich eben zu“, sie werden vielmehr selbst gegen die „Obrigkeit“ vorgehen. Erst mit der Entwicklung des Proletariats hört das Volk auf, ein blindes Werkzeug in den Händen der Regierung zu sein. Wenn das französische Militär sich manchmal weigert, auf die „Aufständischen“ zu schießen, [617] und sich sogar mit ihnen verbrüdert, so geschieht dies deshalb, weil es zum Teil aus Proletariern besteht, und zum Teil deshalb, weil es durch den langen Aufenthalt in den großen Städten dem Einfluß der revolutionären Arbeiterschaft unterliegt. Die russische Kritik müßte den Belletristen das alles klarmachen. Leider stehen aber unsere führenden Kritiker selbst auf dem Standpunkt der Volkstümler. Die sozialen Lehren des Westens erscheinen ihnen entweder als in Rußland völlig unanwendbar oder als anwendbar nur in einer zurechtgestutzten, verstümmelten, farblosen, sozusagen orthodoxen Form. Wir schätzen die reine Gesinnung unserer „führenden“ Kritiker sehr hoch. Wenn wir aber ihre Artikel lesen, müssen wir oft an Gribojedows Worte denken: Wie kann man anschaun und vergleichen Die Gegenwart mit dem, was war: Das Wissen ist noch frisch, der Glaube aber wankt! Gab es doch eine Zeit (und sie liegt gar nicht so weit zurück!), als unsere Kritik auch nicht einen Schritt hinter dem westeuropäischen Denken zurückstand. Hat es bei uns doch einen Belinski gegeben und den „Sowremennik“. Damals fürchteten sich unsere Kritiker nicht vor der Beschuldigung, daß sie westlerisch eingestellt seien, aber jetzt haben sie sich ganz selbständig gemacht. Man versuche jetzt einmal, sie auf die Lehre Marx’ hinzuweisen als eine Lehre, die uns helfen wird, die verworrenen russischen Verhältnisse zu entwirren. Sie werden einen als 1 Dieser Artikel war bereits geschrieben, als uns zufällig die Märznummer der „Russkaja Mysl“, Jahrgang 1888, in die Hände fiel und wir darin einen Brief Uspenskis an die „Gesellschaft der Freunde der russischen Literatur“ lasen. In diesem Brief teilt er mit, er habe anläßlich des fünfundzwanzigsten Jahrestages seiner literarischen Tätigkeit von 15 Arbeitern ein Schreiben erhalten, in dem sie ihn ihrer Anteilnahme versicherten. Als Uspenski der erwähnten Gesellschaft den Dank ausspricht für seine Aufnahme als Mitglied, sagt er: „Ich kann meinerseits meiner Freude hierüber durch nichts anderes Ausdruck verleihen als eben nur durch die freudigen Hinweis auf diese Massen neuer, kommender Leser, neuer, frischer ‚Freunde der Literatur‘.“ Aber von welcher Seite „kommen“ diese frischen Leser? Kommen sie aus dem Dorfe oder aus der Fabrik? Und wenn sie aus der Fabrik kommen, beweist das dann nicht die Falschheit der Ansichten Uspenskis, der nicht nur alle Fabrikarbeiter, sondern sogar die ganze Intelligenz zu Menschen vom Schlage Iwan Jermolajewitschs machen wollte? Was meinte Gl. Uspenski, zeigt wohl Iwan Jermolajewitsch große Anteilnahme an seiner literarischen Tätigkeit? 42
OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 20.07.2013 wahnsinnig oder als Phantasten verlachen. Sie werden sagen, Marx’ Lehre könne auf russischem Boden nicht Fuß fassen. Aber was ist denn der Marxismus anderes als die neue Phase eben jener geistigen Entwicklung, der wir einen Belinski verdanken? Sollte denn das, was in den dreißiger und vierziger Jahren auf uns anwendbar war, in der Gegenwart nicht mehr anwendbar sein? Aber erlauben Sie, wird man uns sagen, man sieht sofort, daß Sie im Ausland leben: Sie haben nicht an die Zensur gedacht. Belinski hat nur literarische Fragen berührt, aber der Marxismus unserer Zeit ist, offiziell gesprochen, die „schädliche Lehre des Kommunismus“. Das stimmt, anderseits aber erwarten wir doch von unseren legalen Literaten gar nicht, daß sie die letzten Schlußfolgerungen des Marxismus verkünden, daß sie die Rolle eines Bebel oder Liebknecht übernehmen. Wir raten ihnen nur, sich die Grundthesen dieser Lehre anzueignen. Und das ist etwas ganz anderes. Die letzten Schlußfolgerungen des Marxismus stellen eine extreme revolutionäre soziale und politische Lehre dar, während die strengste und dümmste Zensur anerkennen muß, daß ihre obersten Voraussetzungen [618] objektive wissenschaftliche Thesen sind. Eignen Sie sich diese Thesen recht gut an, und Sie werden über die harmlosesten, rein literarischen Fragen ganz anders schreiben, als Sie es gegenwärtig tun. Ach ja, meine Herren, man kann nicht an allem der Zensur die Schuld geben, das alte Weib kann doch wirklich nichts dafür, daß ihr von der Volkstümlerei nicht loskommt! Volkstümler werden die Menschen nicht dank der Zensur, sondern sogar trotz der Zensur. Schließlich könnt ihr euch, wenn euch die Zensur im Wege steht, im Ausland niederlassen, wo ihr tun könnt, was ihr wollt. Denkt an das Beispiel Herzens, erinnert euch an all die vielen Beispiele der Schriftsteller in Westeuropa, die es verstanden haben, über das Gitter der Zensur hinwegzuspringen und die öffentliche Meinung ihres Landes vom Ausland her wachzurütteln. Aber wir kennen alle Entgegnungen unserer Volkstümler im voraus. Gibt es bei uns viele Arbeiter? fragen sie uns immer wieder. Viele, meine Herren, weit mehr, als Sie denken! In diesem Falle kann man ohne jede Übertreibung mit den Worten des Evangeliums sagen: „Die Ernte ist groß, aber wenige sind der Arbeiter.“ 1* Die Nachfrage ist viel größer als das Angebot, zum Lichte strebende Arbeiter gibt es viel mehr als gebildete Rasnotschinzen, die ihnen das Licht bringen können! Sie meinen immer, daß wir die Entwicklung des Kapitalismus in Rußland furchtbar übertreiben. Sie glauben, daß wir Sozialdemokraten an diese Frage mit einer vorgefaßten Meinung herangehen. Hören Sie einen Mann, der mit allen sozialdemokratischen „falschen Lehren“ nichts zu tun hat, hören Sie den Professor Mendelejew. „Man sagt“, so urteilt der berühmte Chemiker, „von 100 Millionen leben bei uns nur 10 Millionen in den Städten, und diese verbrauchen weiß Gott nicht viel. Die übrigen 90 Millionen begnügen sich mit ihren häuslichen Produkten, und Brot, eine Hütte, Holz zum Heizen, Abgaben machen alles das aus, was sie erarbeiten und erstreben – von dem, was in Werken und Fabriken hergestellt wird, brauchen sie nichts. Hier liegt ein Fehler und eine Zurückdatierung vor. So ist es einmal, vor nicht langer Zeit gewesen; aber jetzt ist es nicht mehr so, und bald wird es allen klarwerden, daß es so nicht bleiben kann... Die Verhältnisse in Rußland sind jetzt so gestaltet, daß es daraus nur einen einzigen Ausweg zur richtigen Zivilisation hin gibt, und zwar in der Entwicklung der Fabrik- und Werkindustrie.“ 2 Wenn dem so ist, dann gibt es bei uns auch in politischem Sinne nur einen einzigen „richtigen Ausweg zur Zivilisation hin“: er besteht in der Zusammenfassung und Organisierung der Arbeiterklasse zu einer politischen Partei. 1* Evangelium des Matthäus, Kap. 9, Vers 37. 2 „Briefe über die Fabriken“; „Now“, 1885, Nr. 10, S. 246; Nr. 21, S. 34/35. 43
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Arbeit gibt, daß es außer den Menschen, die der „Macht der Erde“ unterliegen, Menschen<br />
gibt, die mit Hilfe der Maschine arbeiten. Die industrielle Arbeit gibt dem Arbeiter ein ebenso<br />
deutliches Gepräge wie die landwirtschaftliche Arbeit dem Bauern. Die Arbeit bedingt den<br />
ganzen Lebensstil wie auch alle Anschauungen und Gewohnheiten des arbeitenden Menschen;<br />
da aber die Schwerindustrie einer viel höheren Stufe der wirtschaftlichen Entwicklung<br />
entspricht, ist es nicht verwunderlich, daß auch die Moral des proletarischen Industriearbeiters<br />
einen größeren Rahmen hat als die bäuerliche Moral.<br />
Gl. Uspenski beklagt sich, daß die „Zivilisation“ zu uns komme und gleicht damit jenen utopischen<br />
Sozialisten, die, wie Marx bemerkt, in dem Schlimmen nur das Schlimme sahen und<br />
nicht seine zerstörende Eigenschaft bemerkten, die die alte Gesellschaft stürzen wird. In unabwendbarer<br />
Logik der Dinge werden die durch die „Zivilisation“ gebildeten neuen Menschen<br />
die zuverlässigsten Diener des russischen Fortschritts sein. 1<br />
Diese neuen Menschen haben mit den assyrischen oder russischen Iwan Jermolajewitschs<br />
nicht die geringste Ähnlichkeit. Weder Michailo Lunin noch Fomitsch noch auch der unglückliche,<br />
vom Leben zermürbte Woronow werden die Umstürzler den Behörden ausliefern,<br />
und sie werden diese nicht niederknüppeln, wenn sie zur Waffe greifen. Sie werden nicht<br />
sagen: „Ich kann nichts dafür, die Obrigkeit hat es so befohlen, und dann schlag ich eben zu“,<br />
sie werden vielmehr selbst gegen die „Obrigkeit“ vorgehen. Erst mit der Entwicklung des<br />
Proletariats hört das Volk auf, ein blindes Werkzeug in den Händen der Regierung zu sein.<br />
Wenn das französische Militär sich manchmal weigert, auf die „Aufständischen“ zu schießen,<br />
[617] und sich sogar mit ihnen verbrüdert, so geschieht dies deshalb, weil es zum Teil aus<br />
Proletariern besteht, und zum Teil deshalb, weil es durch den langen Aufenthalt in den großen<br />
Städten dem Einfluß der revolutionären Arbeiterschaft unterliegt. Die russische Kritik<br />
müßte den Belletristen das alles klarmachen. Leider stehen aber unsere führenden Kritiker<br />
selbst auf dem Standpunkt der Volkstümler. Die sozialen Lehren des Westens erscheinen<br />
ihnen entweder als in Rußland völlig unanwendbar oder als anwendbar nur in einer zurechtgestutzten,<br />
verstümmelten, farblosen, sozusagen orthodoxen Form. Wir schätzen die reine<br />
Gesinnung unserer „führenden“ Kritiker sehr hoch. Wenn wir aber ihre Artikel lesen, müssen<br />
wir oft an Gribojedows Worte denken:<br />
Wie kann man anschaun und vergleichen<br />
Die Gegenwart mit dem, was war:<br />
Das Wissen ist noch frisch, der Glaube aber wankt!<br />
Gab es doch eine Zeit (und sie liegt gar nicht so weit zurück!), als unsere Kritik auch nicht einen<br />
Schritt hinter dem westeuropäischen Denken zurückstand. Hat es bei uns doch einen Belinski<br />
gegeben und den „Sowremennik“. Damals fürchteten sich unsere Kritiker nicht vor der<br />
Beschuldigung, daß sie westlerisch eingestellt seien, aber jetzt haben sie sich ganz selbständig<br />
gemacht. Man versuche jetzt einmal, sie auf die Lehre Marx’ hinzuweisen als eine Lehre, die<br />
uns helfen wird, die verworrenen russischen Verhältnisse zu entwirren. Sie werden einen als<br />
1 Dieser Artikel war bereits geschrieben, als uns zufällig die Märznummer der „Russkaja Mysl“, Jahrgang 1888, in<br />
die Hände fiel und wir darin einen Brief Uspenskis an die „Gesellschaft der Freunde der russischen Literatur“<br />
lasen. In diesem Brief teilt er mit, er habe anläßlich des fünfundzwanzigsten Jahrestages seiner literarischen Tätigkeit<br />
von 15 Arbeitern ein Schreiben erhalten, in dem sie ihn ihrer Anteilnahme versicherten. Als Uspenski der<br />
erwähnten Gesellschaft den Dank ausspricht für seine Aufnahme als Mitglied, sagt er: „Ich kann meinerseits meiner<br />
Freude hierüber durch nichts anderes Ausdruck verleihen als eben nur durch die freudigen Hinweis auf diese<br />
Massen neuer, kommender Leser, neuer, frischer ‚Freunde der Literatur‘.“ Aber von welcher Seite „kommen“<br />
diese frischen Leser? Kommen sie aus dem Dorfe oder aus der Fabrik? Und wenn sie aus der Fabrik kommen,<br />
beweist das dann nicht die Falschheit der Ansichten Uspenskis, der nicht nur alle Fabrikarbeiter, sondern sogar die<br />
ganze Intelligenz zu Menschen vom Schlage Iwan Jermolajewitschs machen wollte? Was meinte Gl. Uspenski,<br />
zeigt wohl Iwan Jermolajewitsch große Anteilnahme an seiner literarischen Tätigkeit?<br />
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