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erschien nennen menschenähnlichen

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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 20.07.2013<br />

tik, Arithmetik, Physik, Geometrie“ durch und liest „gute [608] Bücher“. Weiter unten werden<br />

wir sehen, daß in ihm notwendigerweise auch andere geistige Bedürfnisse entstehen<br />

müssen.<br />

Kehren wir zu Michailo zurück. So sehr er es auch vor Fomitsch verheimlichte, daß er immer<br />

lernte, schließlich kam das Geheimnis doch an den Tag. Selbstverständlich billigte Fomitsch<br />

sein Tun voll und ganz, und er suchte ihm sogar einen guten Lehrer. Die Rolle des Fräuleins<br />

in der Verbannung sollte nun ein gewisser Kolossow spielen, ein gebildeter Mann aus Kreisen<br />

der Rasnotschinzen, der zu seinen Schülern aus Arbeiterkreisen sehr „streng“ war. Zum<br />

Beispiel machte er den Arbeiter Woronow bange, ein unglückliches Wesen, das von Kindheit<br />

an unterdrückt war und dann durch die ungeschickte Aufklärungsarbeit irgendwelcher liberaler<br />

oder radikaler Herrschaften noch vollends irregemacht worden war. Fomitsch hatte Michailo<br />

von vornherein darauf aufmerksam gemacht, wie streng Kolossow sei. Der ließ sich<br />

jedoch nicht schrecken. „Wenn er mich auch schlägt, ich will ihm trotzdem gehorchen“, erklärte<br />

er nachdrücklich.<br />

Nun begann eine wirklich „strenge“ Lehre. Tags arbeitete Michailo in der Werkstatt, und am<br />

Abend lief er zu Kolossow und ließ sich von ihm unterrichten. „Er lernte nicht nur mit Begeisterung,<br />

er hatte eine förmliche Lernwut, und nicht mehr der Lehrer war es, der ihn anspornen<br />

mußte, sondern umgekehrt. Manchmal kamen ihm verschiedene Fragen in den Sinn: was ist,<br />

wenn Kolossow stirbt! oder Fomitsch in eine andere Stadt zieht! Was wird dann aus mir werden?“<br />

Nun, Kolossow starb nicht, Fomitsch verzog nirgendshin, und der junge Bauer konnte<br />

schließlich seinen sehnlichen Wunsch verwirklicht sehen, ein ehrliches und vernünftiges Leben<br />

zu beginnen. Die Stelle eines Hilfsmaschinisten in einer Mechanikerwerkstatt, die er<br />

fand, nachdem er seine berufliche Ausbildung bei Fomitsch beendet hatte, sicherte ihm eine<br />

auskömmliche Existenz und auch Freizeit zu geistiger Beschäftigung. Obwohl Michailo bei<br />

Kolossow keinen Unterricht mehr nahm, studierte und las er doch genausoviel wie früher.<br />

Man hätte meinen können, daß er sich jetzt glücklich fühlen konnte, aber unverhofft kamen<br />

neue seelische Qualen über ihn.<br />

Eines Tages, er war in die Bibliothek gegangen, um Bücher umzutauschen, traf er mit seiner<br />

Braut Pascha zusammen, die er fast vergessen hatte. Da Pascha von Michailo keinerlei Nachrichten<br />

erhalten hatte, war sie auf gut Glück in die Stadt gefahren und hatte sich als Köchin<br />

verdingt. Sie konnte sich gar nicht genug wundern über die Veränderungen, die sie an ihrem<br />

Mischa feststellte. „Mein Gott, was aus Ihnen doch geworden ist“, rief das Bauernmädchen<br />

verwundert aus. Sein Zimmer, sein Anzug ließen sie vermuten, Michailo sei jetzt ein vornehmer<br />

Herr geworden.<br />

‚Gehören diese Paletots alle Ihnen?‘ fragte sie.<br />

‚Die Kleidungsstücke? Ja, die gehören mir.‘<br />

[609] ‚Die müssen aber allerhand kosten!‘“<br />

Die Lampe und der Schirm setzten sie ebenfalls in nicht geringes Erstaunen, aber den größten<br />

Eindruck machte auf sie die Unmenge Bücher und Zeitungen im Zimmer Michailos. „Och,<br />

gibt’s bei Ihnen aber Neuigkeiten... Lesen Sie das?“ – „Ja, das lese ich.“ Pascha betrachtete<br />

erschreckt den Haufen bedruckten Papiers. „Und diese Bücher?“ – „Die gehören fast alle<br />

mir.“ Dem armen Mädchen waren alle diese „Paletots“, Lampen, Bücher und Zeitungen ein<br />

seltsamer, in einer Bauernstube ganz unbekannter Luxus.<br />

Fomitsch und seine Freunde waren der Meinung, Pascha passe nicht zu Michailo, und so rieten<br />

sie ihm, Pascha nicht zu heiraten, aber Michailo hörte nicht auf sie. Bei allem Unterschied<br />

in der Entwicklung hatten sie doch etwas Gemeinsames – so bemerkt der Autor –‚ und zwar<br />

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